Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren: Erhebung einer Untätigkeitsklage. Zulässigkeit der Weiterführung der Klage trotz Bescheiderlass der Behörde. Voraussetzung der Verhängung von Verschuldenskosten

 

Orientierungssatz

Wird eine Untätigkeitsklage auch nach Erlass des in dieser geforderten Widerspruchsbescheids durch die Behörde vom Kläger nicht für erledigt erklärt oder zurückgenommen, so ist sie durch Endurteil als (nunmehr) unzulässig abzuweisen, da durch die Vornahme der zuvor als nicht getätigt kritisierten Handlung das Rechtsschutzbedürfnis entfällt. Wird die Untätigkeitsklage trotz Erledigung und nach einem auf diese Erledigung gerichteten Hinweis des Gerichts durch den Kläger weiter betrieben, können diesem nach Androhung Verschuldenskosten auferlegt werden.

 

Tenor

Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Berufung im Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 26.03.2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Durch Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 18.07.2014 hob die Stadt S die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts an drei Kläger für April 2014 teilweise wegen Anrechnung eines Erwerbseinkommens auf und forderte insgesamt 158,56 EUR zurück. Hiergegen legten die Kläger, vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten, Widerspruch ein. Sie machten geltend, dass die Erstattungsforderung wegen der Berücksichtigung eines weiteren Absetzbetrages um 16,61 EUR zu reduzieren sei.

Am 24.11.2014 haben die Kläger Untätigkeitsklage erhoben.

Mit Bescheid vom 11.12.2014 half der Beklagte dem Widerspruch ab. Er minderte die Erstattungsforderung unter Änderung des Bescheides vom 18.07.2014 um 16,61 EUR und übernahm die Kosten des Widerspruchsverfahrens dem Grunde nach.

Mit Schriftsatz vom 11.12.2014 hat der Beklagte dem Sozialgericht eine Kopie des Bescheides vom 11.12.2014 übersandt und hat ein Kostengrundanerkenntnis abgegeben.

Auf Nachfrage des Sozialgerichts, ob das Verfahren für erledigt erklärt wird, hat der Prozessbevollmächtigte der Kläger mit Schriftsätzen vom 13.01.2015 und vom 22.01.2015 erklärt, dass eine Erledigungserklärung ausdrücklich nicht abgegeben werde. Der Beklagte habe mit Erlass des Widerspruchsbescheides den Widerspruch beschieden, so dass sich die darauf gerichtete Untätigkeitsklage erledigt habe. In der bloßen Bescheidung des Widerspruchs liege jedoch nach Auffassung der 27. Kammer des Sozialgerichts Gelsenkirchen kein (inzidentes) Anerkenntnis. Der Beklagte habe nicht eingeräumt, dass der prozessuale Anspruch auf Bescheidung nach Untätigkeit bestanden habe. Nach Auffassung der 27. Kammer des Sozialgerichts Gelsenkirchen hänge das Bestehen des prozessualen Anspruchs davon ab, ob Untätigkeit i.S.v. § 88 Abs. 1 S. 1 SGG vorläge. Eine solche habe der Beklagte im vorliegenden Fall bislang aber nicht eingeräumt. Er habe die Kläger klaglos gestellt. Die Hauptsache sei im vorliegenden Fall auch nicht gemäß § 88 Abs. 1 S. 3 SGG für erledigt zu erklären. Eine solche Erklärung müsse nur dann abgegeben werden, wenn ein Bescheid innerhalb der nach § 88 Abs. 1 S. 2 SGG gesetzten Frist erlasse werde. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Der Beklagte solle zunächst erklären, ob ein zureichender Grund für seine Untätigkeit vorgelegen habe oder nicht. Alternativ könne der Beklagte ausdrücklich den klageweise geltend gemachten Anspruch anerkennen. Die 38. Kammer des Sozialgerichts Gelsenkirchen habe in einem Beschluss ausgeführt, dass es sich, wenn auf eine Untätigkeitsklage nach § 88 SGG der begehrte Bescheid erlassen und die Klage daraufhin für erledigt erklärt werde, um ein angenommenes Anerkenntnis handele, wenn die Frist des § 88 Abs. 1 bzw. des § 88 Abs. 2 SGG abgelaufen gewesen sei und ein zureichenden Grund für die verspätete Entscheidung nicht vorläge. Die Abgabe einer Erledigungserklärung zum jetzigen Zeitpunkt werde auf Klägerseite lediglich dazu führen, dass die entstandenen Gebühren gekürzt würden. Denn nach Rechtsauffassung des Sozialgerichts Gelsenkirchen werde eine (fiktive) Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG bei Abgabe der Erledigungserklärung zum jetzigen Zeitpunkt nicht anfallen. Wenn eine Erledigungserklärung gemäß § 88 Abs. 1 S. 3 SGG betreffend die Hauptsache nicht abzugeben sei, sei zunächst zu klären, ob ein zureichender Grund für die verspätete Entscheidung vorliege. Diese sei nach der Rechtsprechung des Sozialgerichts Gelsenkirchen im Hinblick auf die zu treffende Kostenentscheidung von ausschlaggebender Bedeutung. Es sei weder für die Kläger noch für ihn hinnehmbar, dass er sich freiwillig seiner Gebührenansprüche (teilweise) begebe.

Das Sozialgericht hat die Beteiligten zum Erlass eines Gerichtsbescheides angehört und einen Hinweis zur Verhängung von Verschuldenskosten nach § 192 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG erteilt.

Durch Gerichtsbescheid vom 26.03.2015 hat das Sozialgericht Gelsenkirchen die Klage abgewiesen, dem Beklagten die Kosten der Kläger auferlegt und den Klägern anteilige Geric...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?