Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Arzneimittelrabattvertrag. Vergabenachprüfungsverfahren. Rechtsweg. Anwendbarkeit des Instruments der Rahmenvereinbarung. Berücksichtigung mittelständischer Interessen. Zulässigkeit des Verzichts auf eine Loslimitierung
Orientierungssatz
1. Im Vergabenachprüfungsverfahren ist allein zu prüfen, ob der Auftraggeber die Bestimmungen über das Vergabeverfahren einhält. Im Hinblick auf eine Verletzung kartellrechtlicher Vorschriften ist der Rechtsweg in das vergaberechtliche Nachprüfungs- und Beschwerdeverfahren nicht eröffnet.
2. Bei der Arzneimittelausschreibung darf die Krankenkasse das Instrument der Rahmenvereinbarung nicht missbräuchlich oder wettbewerbseinschränkend anwenden. Sie ist aber nicht verpflichtet, den Abschluss eines Rahmenvertrags bezogen auf ein Gebiets- und Fachlos mit mehr als nur einem pharmazeutischen Unternehmer vorzusehen. Mittelständische Interessen sind durch Teilung der Aufträge in Fach- und Teillose angemessen zu berücksichtigen.
3. Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Krankenkasse bei der Arzneimittelausschreibung auf eine Loslimitierung verzichtet.
Tenor
Der Antrag der Beschwerdeführerin, die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss der 3. Vergabekammer des Bundes vom 27.03.2009 (3 VK-46/09) bis zu einer Entscheidung über die sofortige Beschwerde zu verlängern, wird abgelehnt.
Gründe
I.
Umstritten ist die Rechtmäßigkeit der Ausschreibung von Arzneimittelrabattverträgen.
Die Antrags- und Beschwerdegegnerinnen (AG) haben den Abschluss von Rabattvereinbarungen gemäß § 130a Abs. 8 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in einem EU-weit bekannt gemachten offenen Verfahren (Bekanntmachungsnummer 2008/S 154-20 79 65) für eine Vertragslaufzeit von zwei Jahren ausgeschrieben. Gegenstand der wirkstoffbezogenen Ausschreibung sind nicht patentgeschützte Arzneimittel (Generika) in (jetzt noch) 63 Fachlosen (Wirkstoffe) und 5 Gebietslosen. Das Gebietslos 1 umfasst die ... Bayern mit etwa 4,1 Millionen Versicherten, das Gebietslos 2 die ... Rheinland-Hamburg und ... Westfalen-Lippe (ca. 5 Millionen Versicherte), das Gebietslos 3 die ... Hessen und ... Plus (ca, 4,3 Millionen Versicherte), das Gebietslos 4 die ... Baden-Württemberg, ... Rheinland-Pfalz und ... Saarland (ca. 5 Millionen Versicherte) und das Gebietslos 5 die ... Berlin, ... Brandenburg, ... Bremen/Bremerhaven, ... Mecklenburg-Vorpommern, ... Niedersachsen, ... Sachsen-Anhalt und ... Schleswig-Holstein mit ca. 5,6 Millionen Versicherten. Gegenstand der Ausschreibung waren (zunächst) die folgenden 64 Wirkstoffe:
Alendronsäure
Alfuzosin
Allopurinol
Amiodaron Lisinopril + HCT
Amisulprid
Amlodipin
Azathioprin
Bisoprolol
Bisoprolol + HCT
Captopril
Captopril + HCT
Carvedilol
Cefaclor
Cefuroxim
Ciprofloxacin
Citalopram
Clarithromycin
Diclofenac
Doxazosin
Doxepin
Enalapril
Enalapril + HCT
Felodipin
Finasterid
Furosemid
Gabapentin
Glimepirid
Hydrochlorathiazid
Ibuprofen
Isosorbiddinitrat
Isosorbidmononitrat
Itraconazol
Levodopa + Benserazid
Levodopa + Carbidopa
Lisinopril
Melperon
Metformin
Metoclopramid
Metoprolol
Metoprolol + HCT
Mirtazapin
Molsidomin
Moxonidin
Nifedipin
Nitrendipin
Olanzapin
Omeprazol
Paroxetin
Ramipril
Ramipril + HCT
Ranitidin
Risperidon
Roxithromycin
Sertralin
Simvastatin
Spironolacton
Sumatriptan
Tamsulosin
Terazosin
Torasemid
Tramadol
Trimipramin
Verapamil
Hinsichtlich des Wirkstoffs Olanzapin ist die Ausschreibung wegen eines bestehenden Patentrechts zwischenzeitlich aufgehoben worden.
Nach den Verdingungsunterlagen hat jeder Bieter pro angebotenem Fachlos (Wirkstoff) und je Gebietslos einen "Rabatt-ApU" (Rabatt-Apothekenverkaufspreis) für alle Pharmazentralnummern (PZN) anzubieten, die er für den angebotenen Wirkstoff nach der "Lauer-Taxe" am 01. August 2008 (im Laufe des Ausschreibungsverfahrens geändert auf den 01.09.2008 - sog. Stichtag) im Sortiment hat. Gemäß § 2 Abs. 2 Rabattvertrag (RV) errechnet sich der Rabatt je PZN nach der Formel Rabatt = ApU (Apothekenverkaufspreis) - Rabatt-ApU. Der Rabatt-ApU wird dabei für die Vertragslaufzeit fest vereinbart. Im Falle einer Erhöhung der Abgabepreise nach Vertragsschluss erhöht sich der Rabatt entsprechend. Der Rabatt ist von den pharmazeutischen Unternehmern direkt an die AG zu zahlen.
Die "Lauer-Taxe", auch ABDA-Artikelstamm oder große deutsche Spezialitätentaxe genannt, die in 14-tägigem Rhythmus aktualisiert wird, enthält die Daten aller bei der Informationsstelle für Arzneimittelspezialitäten gemeldeten, in Deutschland zugelassenen Fertigarzneimittel unter Angabe der Arzneimittelbezeichnung, des Arzneimittelherstellers, des Wirkstoffs, der Wirkstoffmenge, der Darreichungsform und der Packungsgröße. Die jedem Fertigarzneimittel zugeordnete PZN erlaubt die eindeutige Identifizierung jedes Arzneimittels nach den dargestellten Kriterien.
Je Wirkstoff und Gebietslos soll allein ein Bieter den Zuschlag erhalten, nämlich der, der das wirtschaftlichste Angebot unterbreitet. Die Wirtschaftlichkeit des Angebots wird an Hand von zwei Kriterien ermittelt werde...