Entscheidungsstichwort (Thema)

Überprüfung der örtlichen Zuständigkeit im PKH-Beschwerdeverfahren

 

Orientierungssatz

1. Hat der Kläger seinen Wohnsitz im Ausland, so ist das Sozialgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Beklagte seinen Sitz hat.

2. Dasjenige Gericht, welches über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, hat die örtliche Zuständigkeit grundsätzlich nicht mehr zu prüfen. Dies gilt nicht für PKH-Verfahren, weil die Hauptsache in diesen Verfahren nicht anhängig wird. Eine erweiterte Bindungswirkung tritt nicht ein. Deshalb kann das Landessozialgericht im PKH-Beschwerdeverfahren die örtliche Zuständigkeit noch prüfen.

3. Die Zuständigkeit eines örtlich unzuständigen Gerichts kann weder durch Vereinbarung noch durch rügelose Einlassung begründet werden.

 

Tenor

Der Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 13.07.2010 wird aufgehoben.

Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

 

Gründe

Der die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) ablehnende Beschluss des Sozialgerichts (SG) Köln vom 13.07.2010 war aufzuheben, weil das SG Köln nicht örtlich für die Bescheidung des PKH-Antrages zuständig war.

Nach § 57 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist, wenn der Kläger seinen Wohnsitz oder Aufenthaltsort im Ausland hat, das SG örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Beklagte seinen Sitz hat. Der Antragsteller hat seinen Wohnsitz in Sarajevo (Föderation Bosnien und Herzegowina). Beklagte des (beabsichtigten) Hauptsacheverfahrens ist die Bundesrepublik Deutschland. Diese hat ihren "Sitz" in der Bundeshauptstadt Berlin. Damit ist das SG Berlin für die Bearbeitung der Hauptsache wie auch der weiteren Nebenverfahren örtlich zuständig.

An der Überprüfung der örtlichen Zuständigkeit war der Senat in der hier vorliegenden Konstellation nicht gehindert. Einer solchen Überprüfung steht insbesondere § 98 Satz 1 SGG i.V.m. § 17a Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) nicht entgegen. Zwar hat das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, gemäß § 98 Satz 1 SGG i.V.m. § 17a Abs. 5 GVG die Zuständigkeit grundsätzlich nicht mehr zu prüfen. Dies gilt allerdings nicht für PKH-Verfahren. Die Hauptsache wird - wie hier - in diesen Verfahren nicht anhängig; eine erweiterte Bindungswirkung tritt nicht ein. Abgesehen davon eignet sich das Verfahren nach § 17a Abs. 2 bis 4 GVG (Vorabverfahren) nicht für PKH-Bewilligungsverfahren (vgl. Albers in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 69. Aufl. 2011, § 17a GVG, Rdn. 5 m.w.N. aus der Rspr.). Angesichts dessen konnte der Senat die örtliche Zuständigkeit auch noch im Beschwerdeverfahren prüfen.

Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass die Beteiligten in § 2 des Zusatzvertrages vom 08.12.2003 zum Arbeitsvertrag vom 29.01.1998 als Gerichtsstand die Stadt Bonn vereinbart haben. Zum einen existiert in Bonn kein SG. Zum anderen entfalten Vereinbarungen der Beteiligten über die Zuständigkeit gemäß § 59 Satz 1 SGG keine rechtlichen Wirkungen, wobei nach § 59 Satz 2 SGG eine Zuständigkeit auch nicht dadurch begründet wird, dass die Unzuständigkeit des Gerichts nicht geltend gemacht wird. Diese Regelung stellt somit klar, dass die Zuständigkeit weder durch Vereinbarung noch durch rügelose Einlassung begründet werden kann (Düring in: Jansen, SGG, 3. Aufl. 2008, Erl. zu § 59; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG. 9. Aufl. 2008, § 59, Rdn. 1).

Das SG wird nunmehr über die Verweisung des PKH-Verfahrens an das örtlich zuständige SG zu befinden haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 73a Abs.1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.

Der Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2679201

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