Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstweiliger Rechtsschutz. Anordnungsgrund. Folgenabwägung. Sozialhilfe. Hilfe zur Pflege. Übernahme ungedeckter Heimkosten. Rückforderungsanspruch wegen Verarmung des Schenkers. Überleitungsanzeige. Vermögenseinsatz. bereite Mittel

 

Orientierungssatz

1. Der für die Übernahme ungedeckter Heimkosten durch den Sozialhilfeträger beim einstweiligen Rechtsschutz erforderliche Anordnungsgrund ist gegeben, wenn der Verlust des Heimplatzes wegen eingetretener Zahlungsrückstände konkret droht. Hierzu ist die ausgesprochene Kündigung des Heimplatzes ausreichend.

2. Stellt sich die Frage der Realisierbarkeit des Rückforderungsanspruchs gem § 528 Abs 1 BGB bei Vermögensverschiebungen zum Nachteil der Sozialhilfe, so kann der Sozialhilfeträger durch Überleitung des Rückforderungsanspruchs nach § 93 Abs 1 S 1 SGB 12 den Nachrang der Sozialhilfe wiederherstellen. Dem Anspruch auf Übernahme der ungedeckten Heimkosten kann daher eine mangelnde Sozialhilfebedürftigkeit des Antragstellers nur dann entgegengehalten werden, wenn dessen etwaiger Schenkungsrückforderungsanspruch durch ihn selbst unproblematisch und kurzfristig realisiert werden kann.

3. Solange eine Annahme bereiter Mittel des Antragstellers nicht gerechtfertigt ist, bedarf es bei der gerichtlichen Eilentscheidung einer eigentlichen Folgenabwägung nicht.

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 14. März 2008 wird zurückgewiesen. Der Antragsgegner trägt die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers im Beschwerdeverfahren.

 

Gründe

I.

Die Ehefrau und gesetzliche Betreuerin des 1933 geborenen Antragstellers beantragte am 30.05.2005 bei dem Sozialamt der Stadt E Sozialhilfe. An Vermögen gab sie an ein Bankguthaben in Höhe von circa 5.000 EUR (Bescheinigung der Sparkasse vom 29.06.2005: 2.535,84 EUR und 5.488,73 EUR; am 31.12.2003 ein Guthaben von 20.136,35 EUR). Zudem gab sie an, das Eigentum an dem Hausgrundstück C 00 in E (Gemarkung X, Flur 00, Flurstück 00, Gebäude und Freifläche) mit einer Grundstücksgröße von 508 m² und einer Wohnfläche von 136 m² sei im Jahre 2000 an den Sohn T übertragen worden. Laut Notarvertrag vom 06.02.2001 war das Grundstück an diesem Tage mit einer Grundschuld von 63.900 DM für die Kreissparkasse S und einer Grundschuld von 27.000 DM für die Westdeutsche Landesbank Girozentrale belastet (die zweite löschungsreif). Bei Übertragung ist von einem Verkehrswert von 100.000 DM ausgegangen worden. Der Antragsteller und seine Ehefrau behielten sich an dem übertragenen Grundbesitz ein Nießbrauchrecht bis zu ihrem Ableben vor. Der Wert des jährlichen Nießbrauchs ist mit 10.000 DM angesetzt worden. Die Nießbraucher verpflichteten sich, weiterhin die Kosten für Heizung, Wasser, Abwasser und Strom sowie Anliegerbeiträge, Grundsteuern und sonstige öffentliche Abgaben zu tragen; der Sohn als Übernehmer verpflichtete sich, Kosten der außergewöhnlichen Unterhaltung des Grundbesitzes - Ausbesserungen und Erneuerungen - zu tragen.

Der Antragsteller bezieht von der LVA Westfalen eine gesetzliche Altersrente mit einem Zahlbetrag von 1361,65 EUR (Stand April 2004) bzw. 1.354,93 EUR (Stand Juli 2005). Mit einem Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 05.07.2005 wurde die Erforderlichkeit der vollstationären Pflege des Antragstellers festgestellt. Seit dem 20.07.2005 war der Antragsteller in der Residenz N in E1 untergebracht. Am 17.08.2005 wurde der Antragsteller in das Seniorenzentrums C der Arbeiterwohlfahrt in E verlegt. Die Pflegekasse des Antragstellers gewährte Leistungen ausgehend von der Pflegestufe II. Nach Abzug der Leistungen der Pflegekasse ergibt sich ein ungedeckter (monatlicher) Gesamtbetrag von 1.858,51 EUR.

Mit Bescheid vom 16.08.2005 lehnte der Antragsgegner Leistungen der Hilfe zur Pflege nach dem Sozialgesetzbuch 12. Buch (SGB XII) bezüglich der ungedeckten Heimkosten des Aufenthalts in der Residenz N ab. Zwar sei der Antragsteller nicht in der Lage, seinen notwendigen Lebensunterhalt allein aus dem anzurechnenden Einkommen zu bestreiten. Der Antragsteller habe aber einen Anspruch gemäß § 528 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gegen seinen Sohn auf Rückgabe des Geschenkes. Dieser zähle zu seinem Vermögen. Darüber hinaus liege Vermögen in Gestalt eines Sparguthabens von 5.488,73 EUR vor, von dem ein Betrag von 3.214 EUR als geschütztes Vermögen anzusehen sei.

Im Übrigen werde vorsorglich darauf hingewiesen, dass es sich bei dem Grundstück um ein nicht angemessenes Grundstück gemäß § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII handele. Dies ergebe sich aus der Grundstücksgröße von 508 m². Es seien lediglich Grundstücke mit einer Größe von 300 m² als angemessen anzusehen. Auch die Wohnfläche von 136 m² überschreite die angemessene Wohnungsgröße von 110 m². Unter Berücksichtigung eines täglichen Pflegesatzes von zurzeit 100,16 EUR und eines angemessenen Barbetrages stünden somit ausreichende Mittel zur Verfügung, um die entstandenen Heimpflegekosten selbst zu...

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