Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeldanspruch. Anforderung an Arbeitslosmeldung. Möglichkeit der elektronischen Arbeitslosmeldung im Fachportal der BA seit 1.1.2022. elektronischer Antrag auf Arbeitslosengeld ausreichend. Rechtsauslegung. BSG-Rechtsprechung zum alten Recht
Orientierungssatz
1. Ein Antrag auf Arbeitslosengeld, der die Voraussetzungen des § 36a Abs 2 S 4 Nr 1 iV mit S 5 Halbs 1 SGB 1 erfüllt, ist zugleich als elektronische Arbeitslosmeldung nach dem ab 1.1.2022 geltenden Recht anzusehen.
2. Die Rechtsprechung zu der Frage, wann eine Handlung als Arbeitslosmeldung auszulegen ist, bleibt von der Anforderung an den elektronischen Rechtsverkehr unberührt (vgl zum alten Recht BSG vom 19.3.1986 - 7 RAr 48/84 = BSGE 60, 43 = SozR 4100 § 105 Nr 2).
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 08.08.2023 geändert.
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vom 03.08.2023 bis zum 27.10.2023 Arbeitslosengeld iHv 58 EUR täglich zu zahlen.
Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller in beiden Rechtszügen die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt die einstweilige Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Zahlung von Arbeitslosengeld.
Der 0000 geborene Antragsteller meldete sich am 08.02.2023 elektronisch über das Online-Portal der Antragsgegnerin arbeitslos. Zur Bestätigung der Meldung nutzte er die Online-Funktion seines Personalausweises. Aufgrund eines ebenfalls elektronisch gestellten Antrages vom 07.03.2023 bezog er vom 08.02.2023 bis zum 28.02.2023 Arbeitslosengeld iHv 58 EUR täglich von der Antragsgegnerin (Änderungsbescheid vom 28.06.2023). Zum 01.03.2023 nahm er eine Beschäftigung auf, die am 27.04.2023 durch Kündigung des Antragstellers endete. Als Grund für die Kündigung gab der Antragsteller gegenüber der Antragsgegnerin "Mobbing" an.
Der Antragsteller stellte am 10.07.2023 einen elektronischen Antrag auf Arbeitslosengeld ab dem 28.04.2023 über das Online-Formular der Antragsgegnerin. Er gibt an, dass er zur Bestätigung seiner Identität wieder die Online-Funktion seines Personalausweises genutzt habe, anders sei es gar nicht möglich, elektronische Erklärungen in dem Online-Portal der Antragsgegnerin abzugeben. Eine ausdrückliche elektronische Arbeitslosmeldung erfolgte nicht. Die vom Antragsteller im Antrag auf Arbeitslosengeld gewünschte rückwirkende Arbeitslosmeldung ab 28.04.2023 ist online nicht möglich.
Die Antragsgegnerin teilte dem Antragsteller mit Schreiben vom 24.07.2023 mit, über den Antrag auf Arbeitslosengeld könne noch nicht entschieden werden, da die Arbeitslosmeldung und die Arbeitsbescheinigung des letzten Arbeitsgebers fehlten.
Der Antragsteller hat am 03.08.2023 beantragt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zur Zahlung von Arbeitslosengeld zu verpflichten, seinen Krankenversicherungsschutz zu gewährleisten und ihm einen Vorschuss iHv 1.000 EUR zu zahlen. Aufgrund einer Krebserkrankung sei er dringend auf das Arbeitslosengeld und den damit zusammenhängenden Krankenversicherungsschutz angewiesen. Seine Ersparnisse seien aufgebraucht.
Das Sozialgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 08.08.2023, dem Antragsteller zugestellt am 11.08.2023, abgelehnt. Der Antragsteller habe keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld, da es an der Arbeitslosmeldung fehle. Zudem sei Eilbedürftigkeit nicht gegeben, da der Antragsteller weder Unterlagen noch eine Versicherung an Eides Statt vorgelegt habe.
Dagegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers vom 11.08.2023, mit der er sein Begehren auf einstweilige Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Zahlung von Arbeitslosengeld weiterverfolgt.
Der Antragsteller hat im Beschwerdeverfahren eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt. Danach war er vom 10.08.2023 bis 17.08.2023 aufgrund einer Krebserkrankung arbeitsunfähig. Der Antragsteller hat mitgeteilt, dass die Behandlung seiner Krebserkrankung mittels Chemotherapie fortdauert, er sich aber im Übrigen arbeitsfähig fühlt.
Die Antragsgegnerin geht auf telefonische Nachfrage durch den Senat davon aus, dass ein elektronischer Antrag auf Arbeitslosengeld auch ohne Nutzung der Online-Funktion des Personalausweises gestellt werden kann. Sie hat mitgeteilt, nicht rekonstruieren zu können, ob der Antrag auf Arbeitslosengeld vom 10.07.2023 unter Verwendung des Personalausweises gestellt worden ist. Ein Protokoll des Authentifizierungsvorgangs kann sie nicht übersenden.
Mit Bescheid vom 05.09.2023 hat die Antragsgegnerin den Antrag auf Arbeitslosengeld abgelehnt, da sich der Antragsteller nicht arbeitslos gemeldet habe. Der Antragsteller hat dagegen am 11.09.2023 Widerspruch eingelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Antragsgegnerin, die vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Da...