Entscheidungsstichwort (Thema)
Ablehnung eines Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit
Orientierungssatz
1. Ein Sachverständiger kann wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen, vgl. u.a. BSG, Beschluss vom 10. Dezember 2010 - B 4 AS 97/10 B.
2. Steht ein Sachverständiger in einem Arbeitsverhältnis zu einer Partei des Rechtsstreits, so kann dies die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen.
3. Liegt eine solche Situation nicht vor und steht der Sachverständige auch zu keinem der Verfahrensbeteiligten in rechtlicher, wirtschaftlicher oder sonstiger Beziehung, so ist ein Anhaltspunkt für einen ansonsten möglichen Interessenkonflikt nicht gegeben.
Tenor
Die Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 30.05.2012 wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Klägerin, eine gesetzliche Krankenkasse, begehrt von der ein Krankenhaus betreibenden Beklagten die Rückzahlung der Kosten einer stationären Behandlung.
Mit Beweisanordnung vom 27.03.2012 hat das Sozialgericht (SG) Duisburg Dr. X, Sozialmedizinischer Dienst (SMD) der Knappschaft-Bahn-See, I-Straße 00, F, zum Sachverständigen ernannt und ihn mit der Erstellung eines Gutachtens letztlich zu der Frage der Notwendigkeit der o.a. durchgeführten stationären Behandlung beauftragt.
Die Beklagte hat den Sachverständigen als befangen abgelehnt und zur Begründung im Wesentlichen vorgetragen: Der SMD der Knappschaft-Bahn-See sei unselbstständiger Teil der Knappschaft-Bahn-See. Im Rahmen seiner Tätigkeit für den SMD übe der Sachverständige für die Knappschaft bundesweit eine herausgehobene, leitende Funktion aus. Sie - die Beklagte - führe vor dem SG Duisburg einen Rechtsstreit gegen die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See, der grundsätzliche Bedeutung zuzumessen sei. Im Übrigen schalte die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See Dr. X bei Abrechnungsstreitigkeiten mit Krankenhäusern zur Klärung medizinischer Fragen ein; inwieweit dies im Verhältnis zu ihr geschehe, sei ihr nicht bekannt. Zusammenfassend sei der Sachverständige nicht unvoreingenommen. Derjenige, der in leitender Funktion und als Angestellter einer Krankenkasse diese gegen einen Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens unterstütze, sei befangen. Diese Zugehörigkeit des Sachverständigen zum gegnerischen Lager werde auch dadurch aufgezeigt, dass er bei seinen an das SG gerichteten Stellungnahmen unter dem Briefkopf des SMD der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See geschrieben habe.
Das SG hat den Antrag der Beklagten mit Beschluss vom 30.05.2012 zurückgewiesen. Ein Befangenheitsgrund bestehe nicht. Dr. X sei weder mit der Angelegenheit vorbefasst noch sei er bei der Beklagten angestellt. Dass er beim SMD Stellungnahmen zu Krankenhausabrechnungen abgebe, begründe keine Besorgnis der Befangenheit. Andernfalls müssten auch Krankenhausärzte als Sachverständige ausscheiden, da sie ebenfalls in einem Arbeitsverhältnis mit einer potentiellen Partei eines Abrechnungsstreits stünden. Ohne Belang sei, dass die Beklagte einen Rechtsstreit mit der Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See führe. Dort gehe es um die Auslegung des § 140d Fünftes Buch Sozialgesetzbuch und damit rein rechtliche Fragen, mit der der SMD und erst recht Dr. X nicht befasst sei.
Mit ihrer Beschwerde vom 06.06.2012 verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter. Der Sachverständige gehöre als leitendes Mitglied der Knappschaft-Bahn-See dem gegnerischen Lager an. Insoweit unterscheide er sich auch von den vom SG genannten in einem Krankenhaus tätigen Ärzten. Er sei vielmehr einem Richter vergleichbar, dessen Ehefrau als Rechtsanwältin in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten einer Partei tätig sei. Der Gegner könne nicht darauf vertrauen, dass eine unzulässige Einflussnahme unterbleibe.
II.
Die Beschwerde des Klägers ist statthaft und im Übrigen zulässig, sie ist jedoch unbegründet.
1. Die Beschwerde ist nach § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig und insbesondere statthaft, denn ein Ausschlussgrund nach § 172 Abs. 2 SGG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes (SGGArbGGÄndG) vom 26.03.2008 (BGBl. I 444) liegt nicht vor. Der Senat verweist insoweit auf seinen Beschluss vom 23.10.2012 - L 11 KR 96/12 B -.
2. Die Beschwerde des Klägers ist indes unbegründet. Denn das SG hat das Ablehnungsgesuch gegen den gerichtlichen Sachverständigen Dr. X zu Recht abgelehnt.
Nach § 60 Abs. 1 SGG i.V.m. § 42 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO), der gemäß § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 406 Abs. 1 ZPO Anwendung findet, kann ein Sachverständiger wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Für die Feststellung eines solchen Grundes kommt es nicht darauf an, ob der Sachverständige tatsächlich parteilich oder befangen ist oder aber s...