Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Risikostrukturausgleich. Gesundheitsfonds. Zuweisungen iS von § 266 Abs 6 S 7 SGB 5. Einschluss von negativen Zuweisungen. keine aufschiebende Wirkung einer Klage. Rückzahlung von monatlichen Zuweisungen aufgrund Übergangsregelung nach § 272 SGB 5. Nichtanwendung. Vorschriften des SGB 10 über das Verwaltungsverfahren
Orientierungssatz
1. Der Begriff "Zuweisungen" in Satz 7 des § 266 Abs 6 SGB 5 bezieht sich nicht nur auf Zahlungsansprüche von Krankenkassen gegen den Gesundheitsfonds, sondern schließt auch "negative Zuweisungen" ein, dh den Fall, dass die endgültig festgestellte Zuweisung unter dem Betrag der bereits erhaltenen Zuweisungen liegt. Wenn einer Klage gegen die Höhe der Zuweisungen in den Fällen, in denen die endgültige Zuweisung die bisher geleisteten Abschlagszahlungen unterschreitet und somit ein Ausgleichsanspruch gegen die Kasse besteht, eine aufschiebende Wirkung nicht zukommt, kann dies nur bedeuten, dass damit auch unmittelbar die Ausgleichsverpflichtung nach Satz 5 des § 266 Abs 6 SGB 5 zum Tragen kommen soll.
2. Eine Annahme, wonach bisher empfangene monatliche Zuweisungen nach § 272 SGB 5 in keinem Fall zurückzuzahlen seien, ist abwegig.
3. Die Vorschriften des SGB 10 über das Verwaltungsverfahren, insbesondere die §§ 24, 35 SGB 10 finden im Rahmen des Risikostrukturausgleichs keine Anwendung. Die diesbezügliche Rechtsprechung des BSG vom 24.1.2003 - B 12 KR 19/01 R = BSGE 90, 231 = SozR 4-2500 § 266 Nr 1 zum "alten" Risikostrukturausgleich beansprucht weiterhin uneingeschränkt Geltung.
Tenor
Die Anträge der Antragstellerin werden zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 2.500.000 Euro festgesetzt.
Gründe
Die AOK Bayern - Die Gesundheitskasse (Antragstellerin ≪ASt≫) begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen die vom Bundesversicherungsamt (BVA) im Rahmen des Jahresausgleichs 2009 mit Bescheid vom 16.11.2010 ausgesprochene Ausgleichsverpflichtung aus Zuweisungen nach § 272 Sozialgesetzbuch V (SGB V) in Höhe von 91.143.613,86 EUR.
I. Mit dem Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz ≪GKV-WSG≫) vom 26.03.2007 ist die Finanzierung der Krankenkassen neu geregelt worden. Sie erhalten seit dem 01.01.2009 aus dem als Sondervermögen vom BVA verwalteten Gesundheitsfonds (§ 271 Abs. 1 SGB V) Zuweisungen zur Deckung ihrer Ausgaben (§ 266 Abs. 1 S. 1 SGB V). Diese Zuweisungen dienen der Deckung ihrer standardisierten Leistungsausgaben (§ 266 Abs. 2 S. 1 SGB V) sowie der sonstigen Aufgaben (§ 270 SGB V). Im Rahmen einer Übergangsregelung (§ 272 SGB V) erhalten Krankenkassen Mittel zum Ausgleich der Belastungen aufgrund der Einführung des Gesundheitsfonds in bestimmten Bundesländern. Nach dieser so genannten Konvergenzregelung des § 272 SGB V ist bei der Ermittlung der Höhe der Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds sicherzustellen, dass sich die Belastungen aufgrund der Einführung des Gesundheitsfonds für die in einem (Bundes)Land tätigen Krankenkassen in jährlichen Schritten von jeweils höchstens 100 Millionen EUR aufbauen. Dazu hat das BVA für jedes Ausgleichsjahr und für jedes Bundesland die Höhe der fortgeschriebenen Einnahmen der Krankenkassen für die in einem Land wohnhaften Versicherten den Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds gegenüberzustellen. Ergibt die Gegenüberstellung, dass die in einem Land tätigen Krankenkassen über den Schwellenwert von 100 Millionen Euro hinaus belastet sind, werden die Zuweisungen an die Krankenkassen für ihre Versicherten mit Wohnsitz in dem jeweiligen Land so erhöht, dass der Schwellenwert genau erreicht wird. Die für die Erhöhung der Zuweisungen erforderlichen Mittel werden aus der Liquiditätsreserve (§ 271 Abs. 2 SGB V) des Gesundheitsfonds aufgebracht.
Das BVA erteilte der Ast die Grundlagenbescheide I - IV/2009 vom 01.01.2009, 31.03.2009, 30.09.2009 und 31.03.2010, die - ab dem Grundlagenbescheid II - im Verfahren vor dem LSG NRW (L 16 KR 88/09 KL) angefochten sind. In den der ASt erteilten Zuweisungsbescheiden wurden monatliche Anpassungsbeträge nach § 272 SGB V zwischen 7.406.722,50 EUR und 7.631.370,35 EUR ausgewiesen. Der Gesamtbetrag der Zuweisungen nach § 272 SGB V von zunächst 90.577.844,63 EUR wurde mit Korrekturbescheiden angepasst, zuletzt mit Korrekturbescheid III/2009 vom 14.04.2010 auf 91.396.539,63 EUR, was zu einer ergänzenden Zuweisung führte.
Der Berechnung der Konvergenzzahlungen im monatlichen Abschlagsverfahren für 2009 waren die regionalisierten Daten für die Jahre 2006 (Morbiditätsinformationen) bzw 2007 (demographische Versichertendaten) zu Grunde gelegt worden. Im Herbst 2009 erfolgten Berechnungen für das monatliche Abschlagsverfahren für das Jahr 2010 auf der Grundlage aktualisierter Daten (Morbiditätsdaten 2007, Versichertendaten 2008). Auf der Grundlage dieser Daten ergab sich die Prognose, dass das Ausgleichsvolumen im Jahresausgleich 2009 statt des bisher erwarteten Betrages ...