Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassdungsmäßigkeit des Regelbedarfs im Recht der Grundsicherung - Aufhebung vorläufig bewilligter Leistungen bei wesentlicher Änderung der Verhältnisse
Orientierungssatz
1. Der Regelbedarf im Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende ist weder im Hinblick auf dessen Höhe noch auf die Art und Weise seiner Berechnung verfassungswidrig.
2. Im Übrigen kann die Aufhebung vorläufig bewilligter Leistungen der Grundsicherung für die Zukunft bei einer nachträglichen Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen auf § 48 Abs. 1 S. 1 SGB 10 gestützt werden. Diese Vorschrift wird nicht durch die Spezialvorschriften zur vorläufigen Bewilligung von Leistungen des SGB 2 verdrängt (BSG Urteil vom 29. 4. 2015, B 14 AS 31/14 R).
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 03.09.2020 wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein Klageverfahren, das auf eine Verurteilung des Beklagten zur Zahlung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 01.09.2019 bis zum 29.02.2020, insbesondere der Berücksichtigung einer höheren Regelleistung gerichtet ist.
Die Klägerin bezog 2019 und 2020 vom Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Da das Einkommen der Klägerin schwankte, bewilligte der Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 22.07.2019 für den Zeitraum vom 01.09.2019 bis zum 29.02.2020 vorläufig Leistungen. Die Klägerin erhob gegen diesen Bescheid ohne Begründung Widerspruch, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 07.08.2019 zurückwies. Mit weiter vorläufigem Änderungsbescheid vom 14.08.2019 berücksichtigte der Beklagte eine Veränderung des Einkommens der Klägerin.
Am 18.08.2019 hat die Klägerin beim Sozialgericht Dortmund Klage gegen den Bescheid vom 22.07.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.08.2019 und des Änderungsbescheides vom 14.08.2019 erhoben und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren beantragt. Der vom Beklagten berücksichtigte Regelbedarf sei evident unzureichend bemessen. Gemäß einem Gutachten des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes vom 26.04.2018 sei eine Erhöhung des Regelbedarfs für Erwachsene um 37 % vorzunehmen. Außerdem sei das fiktiv angerechnete Einkommen zu hoch bemessen.
Mit weiteren vorläufigen Änderungsbescheiden vom 26.08.2019 und 23.11.2019 hat der Beklagte auf Veränderungen des Erwerbseinkommens der Klägerin reagiert. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin ist zum 31.12.2019 gekündigt worden. Mit Bescheid vom 08.01.2020 hat der Beklagte die vorläufigen Bewilligungsbescheide vom 22.07.2019, 14.08.2019, 26.08.2019 und 23.11.2019 aufgehoben und der Klägerin mit weiterem Bescheid vom 08.01.2020 endgültig Leistungen für Februar 2020 iHv zunächst 497 EUR monatlich, dann mit Änderungsbescheid vom 16.01.2020 iHv 777 EUR bewilligt. Er berücksichtigte hierbei kein Einkommen der Klägerin mehr. Mit weiterem Bescheid vom 16.01.2020 hat der Beklagte die Leistungen für den Zeitraum vom 01.09.2019 bis zum 31.01.2020 abschließend festgestellt und hierbei ein Durchschnittseinkommen aus den Einkünften der Klägerin in diesem Zeitraum gebildet.
Mit Beschluss vom 03.09.2020 hat das Sozialgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Der vom Beklagten berücksichtigte Regelbedarf sei weder im Hinblick auf seine Höhe noch auf die Art und Weise seiner Berechnung verfassungswidrig. Das Sozialgericht hat in seinem Beschluss umfänglich Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und verschiedener Landessozialgerichte verwertet. Wegen der Einzelheiten der diesbezüglichen Begründung wird auf den Beschluss des Sozialgerichts verwiesen. Das Sozialgericht hat weiter ausgeführt, Fehler bei der Einkommensanrechnung seien weder ersichtlich noch vorgetragen. Auch die Aufhebung der vorläufigen Bewilligung mit Bescheid vom 08.01.2020 sei rechtmäßig. Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei der Grund für die Vorläufigkeit der Bewilligung entfallen, so dass eine nachträgliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X eingetreten sei. Diese Norm bleibe im Fall einer Änderung der Sach- und Rechtslage nach Erlass einer vorläufigen Bewilligung auch anwendbar, auf § 41a Abs. 2 Satz 4 und 5 SGB II sei in diesem Fall nicht zurückzugreifen.
Am 19.10.2020 hat die Klägerin Beschwerde gegen den ihr am 07.10.2020 zugestellten Beschluss des Sozialgerichts vom 03.09.2020 erhoben. Sie trägt vor, der Regelbedarf sei evident unzureichend bemessen, eine höchstrichterliche Klärung für 2019 und 2020 liege diesbezüglich nicht vor. Zudem sei es unter Berücksichtigung des Urteils des BSG vom 11.07.2019 - B 14 AS 44/18 R - rechtswidrig, dass der Beklagte das Durchschnittseinkommen der Klägerin bei der abschließenden Feststellung nicht für den ursprünglichen Bewilligungszeitraum von September 2019 bis Januar 2020, sondern nur für die Zeit von Septemb...