Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsarzt. Defensive Konkurrentenklage. Wettbewerb. Bestimmungsbescheid. Verwaltungsakt. Anfechtungsbefugnis. Drittschutz. Vorrang-Nachrang-Verhältnis. Berufsfreiheit. Sicherstellungsauftrag. Abwägung. Berücksichtigung der vertragsärztlichen Versorgungssituation. Beurteilungsspielraum. Bedarfsplanung. Begründung. Nachschieben von Gründen. Beteiligtenfähigkeit von Behörden. Bezirksregierung. Prozessführungsbefugnis. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung. Besonderes Vollzugsinteresse. Anfechtungsberechtigung eines betroffenen Vertragsarztes bei der Zulassung eines Krankenhauses zur ambulanten Erbringung von Katalogleistungen
Leitsatz (redaktionell)
1. Seit 01.01.2011 kann in Nordrhein-Westfalen die Bezirksregierung nicht mehr als Beteiligte im sozialgerichtlichen Verfahren auftreten. Verfahrensbeteiligt ist nun das Land Nordrhein-Westfalen selbst. Dies hat einen Beteiligtenwechsel kraft Gesetzes zur Folge.
2. Bei der Bestimmung nach § 116b Abs. 2 SGB V handelt es sich um einen Verwaltungsakt.
3. § 116b Abs. 2 SGB V hat drittschützende Funktion. Ein drittbetroffener Vertragsarzt ist daher befugt, einen Bescheid anzufechten, mit dem ein Krankenhaus zur ambulanten Behandlung bestimmt ist.
4. Bei Berücksichtigung der vertragsärztlichen Versorgungssituation nach § 116b Abs. 2 SGB V kommt es auch auf bedarfsplanerische Gesichtspunkte an.
5. Ein besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsakts kann nicht mit Dispositionen des Begünstigten begründet werden, wenn er sie trotz ungesicherter künftiger Rechtsposition vorgenommen hat.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1; SGB V § 72 Abs. 1, § 75 Abs. 1, § 116b Abs. 2; SGB X § 31; SGB § 35 Abs. 1, § 42 S. 1; SGG § 10 Abs. 2, § 12 Abs. 2-3, § 54 Abs. 1 S. 2, § 70 Nr. 3, § 75 Abs. 1, § 86a Abs. 2 Nr. 5, § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2, S. 3; GKG § 52 Abs. 2
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 20.08.2010 abgeändert. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Bestimmungsbescheides vom 09.11.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.03.2010 wird mit der Maßgabe aufgehoben, dass die Beigeladene zu 1) berechtigt bleibt, auf der Grundlage dieser Bescheide vor dem 10.04.2011 begonnene ambulante Behandlungen bis zum 30.11.2011 durchzuführen. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Der Antragsgegner trägt die Kosten der Verfahren.
Der Streitwert wird auf 20.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin ist eine onkologische Schwerpunktpraxis in der Form einer überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft mit einer Hauptbetriebsstätte in C. Ihre zehn Gesellschafter sind zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen und "onkologisch verantwortliche Ärzte" nach der Onkologievereinbarung vom 01.01.2009. Die Antragstellerin betreibt drei Standorte mit "onkologisch verantwortlichen Ärzten". Am Standort C sind vier und am Standort T drei Fachärzte für Innere Medizin und Hämatologie und Onkologie tätig. Dem Standort C1 ist ein Facharzt für Innere Medizin und Hämatologie und Onkologie zugewiesen.
Auf Antrag vom 20.02.2008 wurde mit Bescheid der Bezirksregierung Köln vom 09.11.2009 gemäß § 116b Abs. 2 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) i. V. m. der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) über die ambulante Behandlung im Krankenhaus nach § 116b SGB V i. d. F. vom 18.10.2005 (Bundesanzeiger 2006, Nr. 7, S. 88 vom 11.01.2006) in der jeweils geltenden Fassung das zu 1) beigeladene Universitätsklinikum C zur ambulanten Diagnostik und Versorgung von Patienten mit onkologischen Erkrankungen in den nachfolgenden Tumorgruppen bestimmt (Az. des Bescheides 24.03 (47) 3-1-116b-):
- gastrointestinale Tumore und Tumore der Bauchhöhle
- Tumore der Lunge und des Thorax
- Knochen- und Weichteil-Tumore
- Hauttumore
- Tumore des Gehirns und der peripheren Nerven
- Kopf- und Halstumore
- Gynäkologische Tumore
- Urologische Tumore
- Tumore des lymphatischen, blutbild. Gewebes und schwere Erkrankungen der Blutbildung.
Mit Bescheiden der Bezirksregierung Köln vom 29.10.2009 wurden ferner das K Krankenhaus C (Az. des Bescheides: 000 ) zur Behandlung von:
- gastrointestinale Tumore und Tumore der Bauchhöhle
- Tumore der Lunge und des Thorax
- Knochen- und Weichteil-Tumore
- Kopf- und Halstumore
- Gynäkologische Tumore
- Tumore des lymphatischen, blutbild. Gewebes und schwere Erkrankungen der Blutbildung
und das Evangelische Krankenhaus Bad H (Az. des Bescheides: 000-) zur Behandlung von:
- Urologische Tumore
bestimmt.
Die Widersprüche der Antragstellerin vom 23.12.2009 gegen die Bestimmungsbescheide vom 29.10.2009 und gegen den Bestimmungsbescheid vom 09.11.2009 wies die Bezirksregierung mit Bescheid vom 09.03.2010 zurück. Soweit es die Bestimmungsbescheide vom 29.10.2009 anlangt, hat die Antragstellerin diese mittels Klage beim Sozialgericht (SG) Köln angegriffen. Das SG Köln hat das Verfahren mit Beschluss vom 18.05.2010 - S 26 KA 5/10 - an das SG Düsseldorf verwiesen. Infolge d...