Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Einbeziehung unverheirateter volljähriger Kinder bis zum 25. Lebensjahr in die Bedarfsgemeinschaft der Eltern ab 1.7.2006. Höhe des Regelbedarfs. Verfassungsmäßigkeit. Höhe des Mehrbedarfs für werdende Mütter. Verfassungsmäßigkeit der Typisierung und Pauschalierung
Orientierungssatz
1. Die Erhöhung der Altersgrenze für die Einbeziehung von erwachsenen, im Haushalt lebenden Kindern in die Bedarfsgemeinschaft mit den Eltern auf das vollendete 25. Lebensjahr mit Wirkung zum 1.7.2006 ist nach der Rechtsprechung des BSG nicht verfassungswidrig. Der Gesetzgeber darf typisierend unterstellen, dass Eltern, die mit ihren unter 25-jährigen Kindern in einem Haushalt zusammenleben, auch tatsächlich für diese aufkommen (vgl BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 51/09 R = SozR 4-4200 § 7 Nr 23).
2. Der Umstand, dass ein Elternteil des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nicht erwerbsfähig ist, steht der Begründung einer Bedarfsgemeinschaft nicht entgegen. Dagegen bilden Eltern, Kind und Kindeskind keine einheitliche Bedarfsgemeinschaft.
3. Bei einer werdenden Mutter wird nach § 21 Abs 2 SGB 2 nach der zwölften Schwangerschaftswoche ein Mehrbedarf von 17 % des maßgebenden Regelbedarfs anerkannt. Diese typisierende und pauschalierende Regelung ist verfassungsgemäß.
Normenkette
SGB II § 7 Abs. 3 Nr. 2, § 20 Abs. 2 Sätze 1, 2 Nr. 2, Abs. 3, § 21 Abs. 2; GG Art. 3 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Münster vom 21.10.2011 wird zurückgewiesen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Streitig ist, ob die Klägerin für das von ihr vor dem Sozialgericht Münster geführte Klageverfahren Anspruch auf Prozesskostenhilfe (PKH) hat.
Die am 00.00.1986 geborene Klägerin lebte mit ihrem nicht erwerbsfähigen Vater, der Sozialgeld erhielt, in einem Haushalt. Auf den Anfang Februar 2011 gestellten Antrag, ihr über den 28.02.2011 hinaus Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zu gewähren, bewilligte ihr der Beklagte diese durch drei Bescheide vom 23.02.2011 jeweils getrennt nach Zeitabschnitten für März, April und Mai sowie Juni 2011. Mit Bescheid vom 29.03.2011 hob er den Bewilligungsbescheid vom 25.11.2010 für die Monate Januar und Februar 2011, mit drei weiteren Bescheiden vom selben Tag die o.a. Bescheide für die Zeit von März bis Juni 2011 auf und setzte die Leistungen neu fest. Dabei legte sie für die Klägerin, die im Dezember 2011 eine Schwangerschaft angezeigt hatte, den nach § 20 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB II abgesenkten Regelbedarf in Höhe von 291 Euro zugrunde sowie einen Mehrbedarf für werdende Mütter gemäß § 21 Abs. 2 SGB II in Höhe von 49 Euro (im Juni 2011 aufgrund des voraussichtlichen Geburtstermins am 29.06.2011 in anteiliger Höhe von 48 Euro). Das Kind wurde am 00.00.2011 geboren.
Mit ihren Widersprüchen machte die Klägerin geltend, der verminderte Regelsatz für unter 25-jährige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft der Eltern halte einer rechtlichen Überprüfung nicht stand, wenn die Betroffene schwanger sei. Die Fiktion des Gesetzgebers, dass die erwachsenen Kinder sich nicht ebenso wie die Eltern an den Kosten der Haushaltführung beteiligten, sei zumindest dann nicht mehr haltbar, wenn die "Kinder" bereits selbst eine Familie gründeten. Die Kürzung sei auch deshalb nicht gerechtfertigt, weil sie sich unmittelbar auf den Zuschlag für werdende Mütter auswirke. Sinn und Zweck der Gewährung eines Mehrbedarfs für Schwangere sei es, die zusätzlichen durch die Schwangerschaft bedingten Ausgaben auszugleichen. Die Zusatzkosten einer werdenden Mutter seien aber grundsätzlich unabhängig vom Alter und hätten auch nicht mit der Frage zu tun, ob die werdende Mutter selbst noch bei ihren Eltern lebe oder nicht. Die Mehrkosten seien grundsätzlich für alle Schwangeren gleich.
Durch zwei Widerspruchsbescheide vom 05.07.2011 wies der Beklagte die Widersprüche einerseits gegen den Bescheid vom 29.03.2011 (Bewilligungszeitraum 01.01. bis 28.02.2011) und andererseits gegen die drei Bescheide vom 23.02.2011 (Bewilligungszeiträume 01.03. bis 30.06.2011) zurück. Die Klägerin lebe mit ihrem Vater in einem Haushalt und bilde mit ihm eine Bedarfsgemeinschaft (§ 7 Abs. 3 SGB II). Trotz ihrer Schwangerschaft könne sie nur den gemäß § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB II geminderten Regelbedarf für sonstige erwerbsfähige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft in Höhe von monatlich 291 Euro beanspruchen. Eine eigene Bedarfsgemeinschaft bilde sie erst ab der Geburt ihres Kindes. Die Höhe des Mehrbedarfs sei abhängig von dem der leistungsberechtigten Person individuell zustehenden Regelbedarf.
Die Klägerin hat gegen die Widerspruchsbescheide am 22., 25., 26. und 27.07.2011 Klage beim Sozialgericht Münster erhoben, die das Gericht mit Beschluss vom 16.09.2011 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden hat (§ 113 SGG).
Die Klägerin hält an ihrer Auffassung fest,...