Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewilligung einer operativen Brustverkleinerung durch die Krankenkasse
Orientierungssatz
1. Eine die Notwendigkeit von Krankenbehandlung auslösende Krankheit liegt nur dann vor, wenn der Versicherte in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder wenn eine anatomische Abweichung entstellend wirkt.
2. Um eine Entstellung annehmen zu können, muss es sich objektiv um eine erhebliche Auffälligkeit handeln, die Neugier oder Betroffenheit bei den Mitmenschen erzeugt und damit erwarten lässt, dass der Betroffene zum Objekt besonderer Beachtung Anderer wird und sich deshalb aus dem Leben der Gemeinschaft zurückzuziehen droht, sodass die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft gefährdet wird.
3. Die körperliche Auffälligkeit muss so ausgeprägt sein, dass sie sich schon bei flüchtiger Begegnung in alltäglichen Situationen bemerkbar macht. Eine Entstellung bei fehlender oder wenig ausgeprägter Brustanlage ist zu verneinen.
4. An die Notwendigkeit einer Brustoperation zur Behandlung orthopädischer Leiden sind besonders strenge Anforderungen zu stellen, weil in ein funktionell gesundes Organ eingegriffen wird.
5. Operationen am gesunden Körper zur Behebung psychischer Störungen sind wegen der Schwierigkeit einer Vorhersage der psychischen Wirkungen von körperlichen Veränderungen und der unsicheren Erfolgsprognose nicht von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst.
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Münster vom 06.04.2011 wird zurückgewiesen.
Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Klägerin begehrt im Hauptsacheverfahren die Bewilligung einer operativen Brustverkleinerung.
Die Klägerin beantragte erstmals im Dezember 2008 die Bewilligung einer Mammareduktionsoperation, die die Beklagte ablehnte (Widerspruchsbescheid vom 03.04.2009). Im Rahmen eines hiergegen durchgeführten Klageverfahrens (Az.: S 16 KR 46/09) hatte das Sozialgericht Münster ein Gutachten von Frau Dr. N vom 07.09.2009 eingeholt. Die Sachverständige war zu dem Ergebnis gelangt, dass eine operative Reduzierung des Brustdrüsengewebes medizinisch nicht erforderlich sei. Ob die von der Klägerin geklagten Wirbelsäulenbeschwerden auf der Mammahypertrophie beruhen, könne nicht sicher festgestellt werden. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass bei der Klägerin auch noch andere orthopädische Leiden bestünden (Hüftdysplasie, Beinlängendifferenz) und sie nach ihren Angaben bereits seit der Jugendzeit unter Wirbelsäulenbeschwerden leide. Auch bestehe möglicherweise eine psychische bzw. psychosomatische Verursachung der subjektiv empfundenen Wirbelsäulenbeschwerden. Konservative fachorthopädische Behandlungsmaßnahmen, eine weitere Gewichtsabnahme sowie das Tragen eines verstärkten BH mit breiten, gepolsterten Trägern seien einer operativen Maßnahme vorzuziehen. Aufgrund dieser Ausführungen hatte die Klägerin die Klage am 25.09.2009 zurückgenommen.
Im Februar 2010 beantragte die Klägerin unter Vorlage von Bescheinigungen von Dr. T, Arzt für Allgemeinmedizin, Frau Dr. X, Frauenärztin, Dr. X1, Chefarzt der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe der St. C Klinik I, der Psychotherapeutin C L sowie eines Arztbriefes des Therapiezentrums St. K Stift T erneut die Bewilligung einer Mammareduktion. Diese sei aufgrund orthopädischer und psychischer Beschwerden erforderlich.
Nach Einholung eines Gutachtens des MDK Westfalen-Lippe lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 14.05.2010 ab. Eine medizinische Indikation für die beantragte Operation liege nicht vor.
Im Widerspruchsverfahren legte die Klägerin ergänzend eine Bescheinigung der Fachärztin für Orthopädie H vor. Hiernach befinde sie sich seit Jahren wegen chronischer Beschwerden in orthopädischer Behandlung. Aus medizinischen Gründen sei eine Mammareduktionsplastik dringend erforderlich. Die Klägerin führte aus, sie habe seit September 2009 ihr Gewicht um 12 Kilogramm reduziert, was jedoch an der Größe und dem Gewicht des Brustdrüsengewebes nichts geändert habe. Daher gehe sie davon aus, dass das Gewicht der Brüste nach wie vor mitursächlich für die Wirbelsäulenbeschwerden sei.
Mit Bescheid vom 12.01.2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Die Klägerin verfolgt mit ihrer am 02.02.2011 erhobene Klage ihr Begehren weiter und ergänzt ihre bisherigen Ausführungen. Sie hat am 02.02.2011 die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Klageverfahrens beantragt. Mit Beschluss vom 06.04.2011 hat das Sozialgericht den Antrag abgelehnt und sich auf das Gutachten von Frau Dr. N bezogen.
Gegen diese am 13.04.2011 zugestellte Entscheidung richtete sich die am 06.05.2011 erhobene Beschwerde. Die Klägerin meint, die Rechtsverfolgung habe hinreichende Erfolgsaussichten. Sie trägt vor, die Umstände, die der Begutachtung durch Frau Dr. N zugrunde gelegen haben, hätten sich wesentlich verändert. Trotz einer erheblichen Gewichtsreduktion bestünden die Wirbelsäulenbeschwerden unverändert. Sie bezieht sich insowe...