Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertretungsvollmacht des Rechtsanwalts im PKH-Überprüfungsverfahren über das abgeschlossene Hauptsacheverfahren hinaus. Aufhebung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse. Einkommen. Überprüfungsverfahren. Prozessbevollmächtigter. Beschwerde

 

Orientierungssatz

1. Der Beschluss des Sozialgerichts, mit dem die Bewilligung von Prozesskostenhilfe aufgehoben wird, kann mit der Beschwerde angefochten werden. Der in § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG geregelte Ausschluss greift nicht ein.

2. Nach § 124 Nr. 2 ZPO kann das Gericht die Bewilligung der PKH aufheben, wenn die Partei absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtige Angaben über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht oder eine Erklärung nach § 120 Abs. 4 S. 2 ZPO nicht abgegeben hat. Im letzteren Fall ist eine wirksame Aufforderung zur Abgabe einer Erklärung i. S. von § 120 Abs. 4 S. 2 ZPO notwendig.

3. Hieran fehlt es, wenn das Gericht seine Aufforderung ausschließlich an den Kläger persönlich und nicht an den von ihm bevollmächtigten Anwalt gerichtet hat. Die dem Rechtsanwalt erteilte Prozessvollmacht erstreckt sich auch auf das PKH-Verfahren und dauert über die Erledigung des Hauptsacheverfahrens hinaus fort, somit auch auf das Verfahren der nachträglichen Überprüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, wenn sie zur Vertretung in den Neben- und Folgeverfahren erteilt worden ist. Aus § 73 Abs. 6 S. 6 SGG ergibt sich in einem solchen Fall zwingend, dass die Aufforderung zur Abgabe einer Erklärung nach § 120 Abs. 4 S. 2 ZPO an den Prozessbevollmächtigten zu richten ist.

 

Normenkette

SGG § 73 Abs. 6 S. 6, § 73a Abs. 1 S. 1, § 172 Abs. 1, 3 Nr. 2; ZPO a.F. § 120 Abs. 4 S. 2; ZPO § 124 Nr. 2, § 115 Abs. 1 S. 1

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 25.04.2012 aufgehoben.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Duisburg vom 24.04.2012, mit dem der Beschluss über die Bewilligung der Prozesskostenhilfe vom 21.11.2008 aufgehoben wurde, ist zulässig und begründet.

I. Die Beschwerde ist statthaft und auch im Übrigen zulässig.

1. Die Statthaftigkeit der Beschwerde folgt aus § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Der in § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG geregelte Ausschluss der Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint, greift nicht ein. Schon nach ihrem Wortlaut erfasst diese Regelung die hier vorliegende nachträgliche Aufhebung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 120 Abs. 4 Satz 2, 124 Nr. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) nicht. Eine erweiternde Auslegung oder analoge Anwendung kommt nach der wohl einhelligen Meinung in der Rechtsprechung, der sich der Senat anschließt, nicht in Betracht. Durch die Aufhebung von Prozesskostenhilfe wird dem Antragsteller eine Rechtsposition entzogen. Dies ist mit der Ablehnung von Prozesskostenhilfe nicht vergleichbar. Auch der Entstehungsgeschichte (hierzu BT-Drucksache 16/7716, S. 106) ist nicht zu entnehmen, dass der Gesetzgeber den Ausschluss der Beschwerde auf die Aufhebung von Prozesskostenhilfe erstrecken wollte (vgl. zum Ganzen LSG Baden-Württemberg, Beschl. v. 08.02.2011 - L 13 AS 2819/10 -, juris Rn. 2; LSG NRW, Beschl. v. 25.05.2012 - L 7 AS 752/12 B -, juris Rn. 2; Beschl. v. 25.05.2012 - L 19 AS 470/12 B -, juris Rn. 6, jeweils m.w.N.).

2. Die Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist sie - ungeachtet der fehlerhaften Zustellung des Beschlusses des SG an den Kläger persönlich (vgl. hierzu Baden-Württemberg, Beschl. v. 08.02.2011 - L 13 AS 2819/10 -, juris Rn. 3; LSG NRW, Beschl. v. 25.05.2012 - L 19 AS 470/12 B -, juris Rn. 4 f.) - innerhalb der Frist des § 173 Satz 1 SGG eingelegt worden.

II. Die Beschwerde ist auch begründet.

1. Die Aufhebung des Beschlusses vom 21.11.2008 über die Bewilligung von ratenfreier Prozesskostenhilfe ist bereits aus formellen Gründen rechtswidrig und allein deshalb aufzuheben.

Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO hat sich ein Beteiligter, dem Prozesskostenhilfe bewilligt wurde, auf Verlangen des Gerichts darüber zu erklären, ob eine Änderung der für die Prozesskostenhilfe maßgebenden persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse eingetreten ist. Das Gericht kann die Entscheidung über die zu leistenden Zahlungen ändern, wenn sich die für die Prozesskostenhilfe maßgebenden persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich geändert haben (§ 120 Abs. 4 Satz 1 1. Halbsatz ZPO). Gemäß § 124 Nr. 2 ZPO kann das Gericht die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, wenn die Partei absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtige Angaben über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht oder eine Erklärung nach § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO nicht abgegeben hat.

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