Entscheidungsstichwort (Thema)
Höhe der Rechtsanwaltsgebühr in Streitigkeiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende
Orientierungssatz
1. Bei der Bestimmung der Betragsrahmengebühr ist von der Mittelgebühr auszugehen. Damit wird die Tätigkeit eines Anwalts in einem Durchschnittsfall abgegolten. Im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende ist im Allgemeinen von unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Auftraggebers auszugehen.
2. Dagegen hat die Anrechnung vorhandenen Einkommens auf das zustehende Arbeitslosengeld 2 für den Betroffenen eine weit überdurchschnittliche Bedeutung. Angesichts der überdurchschnittlichen Bedeutung kann der Umstand, dass die Einkommensverhältnisse unterdurchschnittlich sind, bei der Frage, ob die Mittelgebühr anzusetzen ist, unberücksichtigt bleiben.
3. Bei einer durchschnittlichen Schwierigkeit der Angelegenheit ist danach die Mittelgebühr angemessen.
Tenor
Die Beschwerde des Bezirksrevisors als Vertreter der Staatskasse gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 14.7.2009 wird zurückgewiesen. Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
Die Klägerin wandte sich im Hauptsacheverfahren gegen den Bescheid der Beklagten vom 18.5.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.7.2008. Mit diesem Bescheid rechnete die Beklagte für den Zeitraum vom 1.7.2008 bis zum 30.11.2008 auf das der Klägerin zustehende Arbeitslosengeld II (Alg-II) Kindergeld für die Pflegekinder B und Q N i.H.v. 115,50 EUR monatlich (Gesamtbetrag: 693.-EUR) an.
Das Sozialgericht hat Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt T beigeordnet (Beschluss vom 2.9.2008). In der mündlichen Verhandlung vom 5.2.2009 hat die Klägerin - vertreten durch den beigeordneten Bevollmächtigten - nach Hinweis des Vorsitzenden auf die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung die Klage zurückgenommen.
Der Bevollmächtigte der Klägerin hat beantragt, die folgende Vergütung festzusetzen: Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV/RVG 250.- EUR Terminsgebühr Nr. 3106 VV/RVG 200.- EUR Entgelte Post/ Telekommunikation Nr. 7002 VV/RVG 20.- EUR Summe 470.-EUR Umsatzsteuer Nr. 7008 VV/RVG 89,30 EUR Gesamt: 559,30 EUR
Der Urkundsbeamte der Geschäftstelle des Sozialgerichts hat die Vergütung mit Beschluss vom 25.2.2009 wie folgt festgesetzt: Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV/RVG 100.- EUR Terminsgebühr Nr. 3106 VV/RVG 100.- EUR Entgelte pp. Nr. 7002 VV/RVG 20.- EUR Summe 220.- EUR Umsatzsteuer Nr. 7008 VV/RVG 41,80 EUR Gesamt 261,80 EUR
Es hat die Abweichung von der beantragten Festsetzung damit begründet, dass es sich hinsichtlich Dauer, Umfang, Bedeutung und Komplexität um ein unterdurchschnittliches Verfahren gehandelt habe, weshalb nur unterdurchschnittliche Gebühren festgesetzt werden könnten.
Gegen diese Entscheidung hat der Bevollmächtigte der Klägerin Erinnerung eingelegt. Er hat den Festsetzungsantrag soweit als Verfahrensgebühr eine die Mittelgebühr überschreitende Gebühr geltend gemacht wurde (80.- EUR zuzüglich Umsatzsteuer, insgesamt 95,20 EUR) zurückgenommen. Im übrigen war er der Auffassung, dass es sich um eine rechtlich komplexe und für die Klägerin wirtschaftlich bedeutsame Angelegenheit gehandelt habe, weshalb eine weitere Reduzierung der Gebühren nicht gerechtfertigt sei.
Mit Beschluss vom 14.7.2009 hat das Sozialgericht den Beschluss vom 25.2.2009 abgeändert und die aus der Staatskasse zu zahlendem Vergütung wie folgt festgesetzt:
Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV/RVG 170.- EUR (Mittelgebühr), Terminsgebühr Nr. 3106 VV/RVG 200.- EUR (Mittelgebühr), Entgelte pp. Nr. 7002 VV/RVG 20.- EUR, Summe 390.- EUR, Umsatzsteuer Nr. 7800 VV/RVG 74,10 EUR, Gesamt 464,10 EUR
Unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BSG vom 1.7.2009 - B 4 AS 21/09 R - hat das Sozialgericht die jeweilige Mittelgebühr für angemessen i.S.d. § 14 Abs. 1 S. 1 RVG gehalten.
Gegen diese dem Bezirksrevisor als Vertreter der Staatskasse am 28.7.2009 zugestellte Entscheidung hat dieser am 7.8.2009 Beschwerde eingelegt und beantragt, die Vergütung auf 261,80 EUR festzusetzen. Er bezieht sich auf den Beschluss des LSG NRW vom 24.9.2008 - L 19 B 21/08 AS -. Der Bevollmächtigte der Klägerin ist dem Antrag entgegengetreten.
Über die Beschwerde entscheidet der Senat mit drei Berufsrichtern, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 8 S. 2 RVG). Entscheidungserheblich ist die bisher nicht abschließend geklärte Frage, inwieweit dem Umstand, dass existenzsichernde Leistungsansprüche nach dem SGB II Gegenstand des Klageverfahrens waren, bei der Gebührenbemessung eine ausschlaggebende Bedeutung zukommt. Außerdem war die Bedeutung der Entscheidung des BSG vom 1.7.2009 - B 4 AS 21/09 R -, die zu Nr. 2500 VV/RVG in der bis zum 30.6.2006 geltenden Fassung (jetzt Nr. 2400 VV/RVG) ergangen ist, auf die Gebührenfestsetzung nach Nr. 3102/3103 VV/RVG zu prüfen.
Die fristgerecht (§§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 3 RVG) eingelegte Beschwerde ist zulässig. Sie ist als Rechtmittel statthaft und weder durch § 178 S. 1...