Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung für eine alleinerziehende Unionsbürgerin und deren Kinder durch einstweiligen Rechtsschutz
Orientierungssatz
1. Es ist weiterhin ungeklärt, ob der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr 2 SGB 2 für einen Unionsbürger ohne materielles Aufenthaltsrecht gilt. Ebenso ist offen, ob dem sorgeberechtigten Elternteil eines nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG aufenthaltsberechtigten Kindes ein materielles Aufenthaltsrecht zusteht.
2. In einem solchen Fall besteht nach beantragter Bewilligung von Grundsicherungsleistungen durch einstweiligen Rechtsschutz die gute Möglichkeit, dass der Antragsteller im Hauptsacheverfahren obsiegt. In einem solchen Fall ist zur Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums im einstweiligen Rechtsschutzverfahren im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden.
3. Dabei tritt das Vollzugsinteresse des Grundsicherungsträgers hinter dem Interesse des Antragstellers zurück.
Tenor
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 19.08.2015 wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerinnen auch im Beschwerdeverfahren.
Den Antragstellerinnen wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin U aus L beigeordnet.
Gründe
I.
Die 1987 geborene Antragstellerin zu 1) ist bulgarische Staatsangehörige. Nach eigenen Angaben besuchte sie in Bulgarien bis zum 4. Schuljahr die Schule. Sie verfügt über keine Berufsausbildung. In Bulgarien arbeitete sie als Reinigungskraft sowie Küchenhilfe. Sie hält sich seit September 2012 in der Bundesrepublik auf. Am 00.00.2013 gebar sie die Antragstellerinnen zu 2) und 3) sowie am 00.00.2015 die Antragstellerin zu 4). Sie spricht bulgarisch und serbisch und kann sich auf Deutsch verständigen.
Am 10.12.2013 sprach die Antragstellerin zu 1), die Kindergeld i.H.v. 368,00 EUR sowie Unterhaltsvorschussleistungen i.H.v. insgesamt 266,00 EUR für die Antragstellerinnen zu 2) und 3) bezieht, beim Antragsgegner vor und gab an, dass sie seit ihrer Ankunft in der Bundesrepublik bei Verwandten wohne. Sie habe bislang ihren Lebensunterhalt durch das Sammeln von Flaschen bestritten. Durch Bescheid vom 06.03.2014 bewilligte der Antragsgegner den Antragstellerinnen zu 1) bis zu 3) vorläufig Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 11.12.2013 bis zum 10.06.2014 in Höhe der Regelbedarfe. Die nachfolgenden Fortbewilligungsanträge lehnte der Antragsgegner ab. Hiergegen sind Klagen anhängig. In Ausführung von stattgebenden Beschlüssen in einstweiligen Rechtsschutzverfahren gewährte der Antragsgegner den Antragstellerinnen ohne Anerkennung einer Rechtspflicht Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bis einschließlich 02.08.2015.
Am 01.07.2015 nahm die Antragstellerin zu 1) eine geringfügige Beschäftigung auf. Diese gab sie nach eigenen Angaben nach vier Tagen wieder auf, da die Antragstellerin zu 4) auf ihre Betreuung angewiesen sei. Am 03.08.2015 überwies der Arbeitgeber einen Betrag von 221,01 EUR auf das Konto der Antragstellerin zu 1).
Durch Bescheid vom 31.07.2015 lehnte der Antragsgegner den Fortbewilligungsantrag der Antragstellerin zu 1) vom 14.07.2015 unter Berufung auf § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II ab. Hiergegen erhoben die Antragstellerinnen Widerspruch, den der Antragsgegner durch Widerspruchsbescheid vom 21.08.2015 zurückwies. Am 24.08.2015 erhoben die Antragstellerinnen dagegen Klage (S 40 AS 3042/15).
Am 11.08.2015 haben die Antragstellerinnen vorläufigen Rechtsschutz beantragt.
Sie haben vorgetragen, die Bearbeitung der Anträge der Antragstellerin zu 1) auf Kindergeld und Elterngeld für die Antragstellerin zu 4) verzögere sich wegen des Verlustes ihrer Ausweispapiere. Sie hätten Stromschulden, wobei der Energieversorgungsträger eine Ratenzahlung ablehne.
Durch Beschluss vom 19.08.2015 hat das Sozialgericht Köln den Antragsgegner vorläufig verpflichtet, den Antragstellerinnen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 11.08.2015 bis zum 10.02.2016, längstens bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Auf die Gründe wird Bezug genommen. Der Antragsgegner hat den Beschluss ausgeführt.
Gegen den ihm am 25.08.2015 zugestellten Beschluss hat der Antragsgegner am 28.08.2015 Beschwerde eingelegt.
Er beruft sich auf den sich aus § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II ergebenden Leistungsausschluss. Aufgrund der Schwangerschaften der Antragstellerin zu 1) sowie der Geburt der Antragstellerinnen zu 2) bis zu 4) seien wegen der fehlenden Kinderbetreuung keine Maßnahmen zur Arbeitsberatung, Eingliederung und Arbeitsförderung erfolgt. Der Vater der Antragstellerin zu 4), Herr Z, habe weder in der Vergangenheit noch aktuell Leistungen nach dem SGB II bezogen.
Die Antragstellerinnen tragen vor, Herr Z habe in den Jahren 2010 bis 2012 gearbeitet. Anschließend habe er keine Arbeit gefunden. Er bestreite sei...