Nachgehend

BSG (Beschluss vom 01.06.2022; Aktenzeichen B 5 R 4/22 B)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 16.02.2021 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Bei der 1986 geborene Klägerin besteht seit ihrem zehnten Lebensjahr eine Epilepsieerkrankung. Sie besuchte bis 2002 ohne Abschluss eine Sonderschule. Am 30.09.2003 erfolgte bei der Klägerin eine Gehirnoperation, bei der ein temporo-mesiales Gangliogliom rechts reseziert wurde.

Vom 17.11.2003 bis zum 31.08.2004 nahm sie an einem Förderungslehrgang beim "K e.V." teil, in dem auch ein Praktikum bei dem Friseur N in H absolviert wurde. Ab dem 16.08.2005 war die Klägerin arbeitslos. Durch den ärztlichen Dienst der Bundesagentur für Arbeit, Dr. U, wurde die Klägerin am 14.03.2006 untersucht und begutachtet. Sie gelangte zu der Beurteilung, eine Integration der Klägerin in den allgemeinen Arbeitsmarkt sei nicht zumutbar, es werde die Integration in eine Werkstatt für Behinderte empfohlen.

Ab dem 04.09.2006 war die Klägerin bei der Diakonie A Werkstätten gemeinnützige GmbH "Werkstatt Z" in einer Werkstatt für Behinderte tätig. Dabei war sie auch auf ausgelagerten Werkstattarbeitsplätzen, wie bei dem Friseur F in H ab dem 04.12.2008 und der Diakonie A Wohnen gemeinnützige GmbH ab dem 01.11.2009, dem 01.10.2014 und dem 06.02.2017 tätig. Ab November 2011 hat die Klägerin Kindererziehungszeiten bzw. Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung zurückgelegt. Seit dem 21.09.2017 ist sie arbeitsunfähig krank.

Am 20.03.2017 beantragte die Klägerin die Gewährung von Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Die Beklagte holte eine Auskunft der Diakonie A Werkstätten gemeinnützige GmbH ein und zog die Schwerbehindertenakten über die Klägerin von der Stadt H bei. Weiterhin holte sie einen Befundbericht des Allgemeinmediziners Dr. S ein. In einer beratungsärztlichen Stellungnahme vom 07.07.2017 gelangte Dr. E zu der Beurteilung, dass die Klägerin seit September 2003 auf Dauer nur unter drei Stunden tätig erwerbstätig sein könne.

Mit Bescheid vom 26.07.2017 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab, weil die Klägerin die Mindestversicherungszeit von 60 Monaten nicht erfülle. Die Klägerin sei seit dem 01.09.2003 dauerhaft voll erwerbsgemindert. Das Versicherungskonto enthalte bis zu diesem Zeitpunkt jedoch keinen Wartezeitmonat.

Dagegen legte die Klägerin am 17.08.2017 Widerspruch ein. Sie übersandte Zusatzvereinbarungen zum Werkstattvertrag über die Einrichtung eines ausgelagerten Werkstattarbeitsplatzes vom 03.12.2008, 28.10.2009, 15.09.2014 und 19.01.2017.

Mit Widerspruchsbescheid vom 09.05.2018 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Klägerin sei schon voll erwerbsgemindert gewesen, bevor sie die allgemeine Wartezeit erfüllt habe.

Hiergegen hat die Klägerin am 11.06.2018 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen erhoben. Nach den übersandten Zusatzvereinbarungen zum Werkstattarbeitsplatz über die Einrichtung von ausgelagerten Werkstattarbeitsplätzen sei die Klägerin arbeitstäglich mehr als sechs Stunden auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig gewesen. Ihren bisherigen Tätigkeiten in Behindertenwerkstätten könne sie nicht mehr nachgehen. Sie hat einen Bericht des Universitätsklinikums C vom 16.10.2018 vorgelegt.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen der Klägerin unter Aufhebung des Bescheides vom 26.07.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.05.2018 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat auf den Inhalt des Widerspruchsbescheides vom 09.05.2018 Bezug genommen.

Das SG hat Behandlungs- und Befundberichte der Ärzte der Klägerin, des Universitätsklinikums B, Dr. S und des Neurologen Dr. D sowie die Schwerbehindertenakte der Klägerin bei der Stadt H beigezogen.

Weiterhin hat das SG Beweis erhoben durch die Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens von Dr. L vom 28.07.2020. Dieser ist zu der Beurteilung gelangt, dass kein Zweifel daran bestehe, dass das Leistungsvermögen der Klägerin im Hinblick auf den allgemeinen Arbeitsmarkt schon deutlich vor dem Zeitpunkt des Jahres 2009, vermutlich schon seit dem Jahr 2003 aufgehoben gewesen sei. Die Leistungsminderungen, die aktuell bestünden, seien im Wesentlichen auch schon im Jahre 2003 beschrieben worden. Damals sei wegen der Anfallshäufung die Läsionektomie veranlasst worden, eine Minderbegabung und psychische Beeinträchtigung sei seinerzeit schon beschrieben worden. Es sei davon auszugehen, dass ein Leistungsvermögen im Erwerbsleben für zumindest drei Stunden geistig einfache und körperlich leichte Arbeiten zu keinem Zeitpunkt vorgelegen habe.

Mit Urteil vom 16.02.2021 hat das SG die Klage abgew...

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