Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende: Zulässigkeit des Erlasses eines Eingliederungsverwaltungsaktes. Anforderungen an die Gegenleistung der Behörde bei Eingliederungsverpflichtungen des Grundsicherungsnehmers. Zulässigkeit einer Klage gegen einen Eingliederungsverwaltungsakt bei parallel geführten Verfahren gegen einen Sanktionsbescheid. Eingliederungsverwaltungsakt. Ermessen. Bewerbungsbemühungen. Gegenleistung zur Eingliederung in Arbeit. Stellenangebot. Verfassungsmäßigkeit. Vertragsfreiheit. Existenzminimum. Erledigung durch Zeitablauf. Fortsetzungsfeststellungsklage. Sanktionsbescheid

 

Orientierungssatz

1. Weigert sich ein Empfänger von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende, überhaupt eine Eingliederungsvereinbarung abzuschließen, so ist die Behörde zum Erlass eines Eingliederungsverwaltungsaktes berechtigt.

2. Übernimmt ein Grundsicherungsträger in einer Eingliederungsvereinbarung neben der Verpflichtung zur Erstattung von Fahrt- und Bewerbungskosten auch die Pflicht, einen Abgleich des Bewerberprofils des Grundsicherungsempfängers mit Stellenangeboten durchzuführen und diesen für geeignete Stellen vorzuschlagen, so stellt dies eine angemessene Gegenleistung für die vom Grundsicherungsempfänger geforderten eigenen Eingliederungsbemühungen in Form von regelmäßigen Bewerbungen dar.

3. Ein Klageverfahren gegen einen Sanktionsbescheid, der aufgrund eines Eingliederungsverwaltungsaktes erlassen wurde, steht einem gesonderten Klageverfahren gegen den Eingliederungsverwaltungsakt nicht entgegen.

4. Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache als Berufungsgrund ist nicht schon dann gegeben, wenn eine Rechtsfrage durch ein erstinstanzliches Gericht dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt wurde.

 

Normenkette

SGB II § 15 Abs. 2, 3 S. 3, § 2; SGB X § 39 Abs. 2, § 55 Abs. 1 S. 2; SGG § 131 Abs. 1 S. 3, § 160 Abs. 2 Nr. 1; GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2, 12, 20 Abs. 1

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 19.10.2017; Aktenzeichen B 14 AS 360/17 B)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 26.01.2017 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines Eingliederungsverwaltungsaktes.

Der 1973 geborene Kläger ist diplomierter Wirtschaftsingenieur. Er ist alleinstehend und bezieht Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts - Arbeitslosengeld II - nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) von dem Beklagten. Mit Bescheid vom 11.04.2016 wurde sein Arbeitslosengeld II wegen Verstoßes gegen die Pflichten aus einem für den Zeitraum 10.02.2016 bis 09.08.2016 erlassenen Eingliederungsverwaltungsakt vom 10.02.2016 für den Zeitraum 01.05.2016 bis 31.07.2016 um 30% des Regelbedarfs gemindert. Mit weiterem Bescheiden vom 03.05.2016 bzw. vom 03.06.2016 wurde das Arbeitslosengeld II für den Zeitraum 01.06.2016 bis 31.08.2016 um 60% des Regelbedarfs und für den Zeitraum 01.07.2016 bis 30.09.2016 um 100% gemindert. Im nachfolgenden Klageverfahren wurden die Sanktionen um 60 % und 100 % aufgehoben. Hinsichtlich der Kürzung um 30 % des Regelbedarfs hatte das Klageverfahren keinen Erfolg.

Mit Bescheid vom 13.09.2016 wurden dem Kläger für den Zeitraum 01.10.2016 bis 30.09.2017 monatlich 404,- Euro Regelleistungen gewährt. Im Rahmen eines am 26.08.2016 geführten Beratungsgesprächs zum Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung im Anschluss an den auslaufenden Eingliederungsverwaltungsakt vom 10.02.2016 wurde er zu seinen aktuellen Vorstellungen zur Arbeitsaufnahme befragt. Der Kläger teilte diesbezüglich mit, dass er mit seinem erlernten Beruf zufrieden sei und auch problemlos eine hoch bezahlte Stelle finden könne, das aktuelle Wirtschaftssystem aber nicht unterstützen möchte. Den Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung lehne er ab. Dem Kläger wurde dennoch der Entwurf einer Eingliederungsvereinbarung mit der Bitte mitgegeben, sich in Ruhe zu überlegen, ob er diese unterschreiben könne. Es wurde eine Frist bis zum 31.08.2016 eingeräumt. Nach Ablauf dieser Frist ohne weitere Reaktion des Klägers erließ der Beklagte am 14.09.2016 einen Eingliederungsverwaltungsakt für den Zeitraum 14.09.2016 bis 13.03.2017. Dieser Eingliederungsverwaltungsakt sah unter anderem vor, dass der Kläger bis zum 30.09.2016 eine vollständig aktualisierte Bewerbungsmappe vorlegt und sich bis zum 01.10.2016 dreimalig und anschließend monatlich fünf Mal um eine Arbeitsstelle bemüht und diese Bemühungen in einem Aktionsplan festhält, den er dem Beklagten jeweils zum Monatsersten, erstmalig am 01.10.2016, vorlegt. Der Beklagte bot dem Kläger im Gegenzug Beratungsgespräche und die Übernahme von Fahrt- und Bewerbungskosten an. Er wollte dem Kläger außerdem nach Abgleich des Bewerberprofils des Klägers mit Stellenangeboten geeignete Stellen vorschlagen und eine Einstellung bei entsprechenden Voraussetzungen durch Eingliederungszuschüsse bzw. mit einem Einstiegsgeld unterstützen. Wegen der weiteren Einzelheiten wir...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge