Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss für Ausländer bei Aufenthalt zur Arbeitsuche. Unionsbürger. anderes Aufenthaltsrecht. Leistungsausschluss bei abgeleitetem Aufenthaltsrecht als sorgerechtsausübender Elternteil von Kindern in Schulausbildung. Europarechtswidrigkeit
Orientierungssatz
Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Ist der Ausschluss von Unionsbürgern, die über ein Aufenthaltsrecht aus Art 10 EUV 492/2011 verfügen, vom Bezug von Sozialhilfeleistungen im Sinne von Art 24 Abs 2 EGRL 38/2004 mit dem Gleichbehandlungsgebot aus Art 18 AEUV iVm Art 10 und Art 7 EUV 492/2011 vereinbar?
a) Stellt eine Sozialhilfeleistung im Sinne von Art 24 Abs 2 EGRL 38/2004 eine soziale Vergünstigung im Sinne von Art 7 Abs 2 EUV 492/2011 dar?
b) Findet die Schrankenregelung des Art 24 Abs 2 EGRL 38/2004 auf das Gleichbehandlungsgebot aus Art 18 AEUV iVm Art 10 und Art 7 EUV 492/2011 Anwendung?
2. Ist der Ausschluss von Unionsbürgern vom Bezug von besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen im Sinne von Art 3 Abs 3, Art 70 Abs 2 EGV 883/2004 mit dem Gleichbehandlungsgebot aus Art 18 AEUV iVm Art 4 EGV 883/2004 vereinbar, wenn diese über ein Aufenthaltsrecht aus Art 10 EUV 492/2011 verfügen und in einem Sozialversicherungssystem oder Familienleistungssystem im Sinne des Art 3 Abs 1 EGV 883/2004 eingebunden sind?
Tenor
I. Das Verfahren wird ausgesetzt.
II. Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Ist der Ausschluss von Unionsbürgern, die über ein Aufenthaltsrecht aus Art. 10 VO (EU) 492/2011 verfügen, vom Bezug von Sozialhilfeleistungen im Sinne von Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG mit dem Gleichbehandlungsgebot aus Art. 18 AEUV i.V.m. Art. 10 und Art. 7 VO (EU) 492/2011 vereinbar?
a) Stellt eine Sozialhilfeleistung im Sinne von Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG eine soziale Vergünstigung im Sinne von Art. 7 Abs. 2 VO (EU) 492/2011 dar?
b) Findet die Schrankenregelung des Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG auf das Gleichbehandlungsgebot aus Art. 18 AEUV i.V.m. Art. 10 und Art. 7 VO (EU) 492/2011 Anwendung?
2. Ist der Ausschluss von Unionsbürgern vom Bezug von besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen im Sinne von Art. 3 Abs. 3, Art. 70 Abs. 2 VO (EG) 883/2004 mit dem Gleichbehandlungsgebot aus Art. 18 AEUV i.V.m. Art. 4 VO (EG) 883/2004 vereinbar, wenn diese über ein Aufenthaltsrecht aus Art. 10 VO (EU) 492/2011 verfügen und in einem Sozialversicherungssystem oder Familienleistungssystem im Sinne des Art. 3 Abs. 1 VO (EG) 883/2004 eingebunden sind?
Gründe
A.
Der Beklagte wendet sich gegen die Verurteilung zur Gewährung von Grundsicherungsleistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) an den Kläger und seine beiden Töchter für die Zeit vom 08.06.2017 bis zum 31.12.2017.
Der 1985 geborene Kläger ist polnischer Staatsangehöriger und war mit der polnischen Staatsangehörigen Frau D. verheiratet. Das Ehepaar hat gemeinsame Kinder, die 2005 geborene Tochter X und die 2010 geborene Tochter N. Seit 2012/2013 lebte der Kläger von seiner Ehefrau getrennt. Die Ehe wurde im Januar 2019 geschieden. Ende 2012/Anfang 2013 zog die Familie von den Niederlanden nach Deutschland um. Der Kläger und seine beiden Töchter waren ab dem 10.01.2013 bis zum 31.07.2014 in E /Deutschland gemeldet. Frau D. war in der Zeit vom 10.01.2013 bis zum 08.04.2016 in E /Deutschland gemeldet. Nach dem Umzug nach Deutschland arbeitete Frau D. bei einem niederländischen Arbeitgeber in den Niederlanden. Laut Auskunft der zuständigen Krankenversicherung wurde das Arbeitsverhältnis zum 22.02.2016 beendet. Im Jahr 2016 verzog Frau D. nach Polen. Die Abmeldung erfolgte zum 08.04.2016.
Ab dem 22.10.2014 waren der Kläger und die beiden Töchter in K /Deutschland gemeldet. Zum 11.12.2014 wechselte die Tochter N in den Haushalt ihrer Mutter. Seit dem 27.02.2015 sind der Kläger und seine Tochter X durchgehend mit gemeinsamer Anschrift in K /Deutschland gemeldet, seit dem 14.09.2015 auch die Tochter N. Die Bruttowarmmiete der gemeinsam genutzten Wohnung betrug 525,00 Euro monatlich. Die Warmwassererzeugung erfolgte dezentral.
Die Tochter X besuchte ab dem 01.08.2016 die 4. Jahrgangsstufe einer Grundschule, seit dem 01.08.2017 die 5. Jahrgangsstufe einer Gesamtschule als weiterführende Schule. Die Tochter N besuchte ab dem 01.08.2016 durchgehend eine Grundschule.
Der Kläger bezieht durchgehend Kindergeld für die Tochter N ab Januar 2016 und für die Tochter X ab März 2016. Das Kindergeld für beide Kinder in Höhe von je 192,00 Euro monatlich wurde innerhalb des streitigen Zeitraums wegen einer Aufrechnung im Juni 2017 nur in Höhe von 192,00 Euro sowie im Juli 2017 nur i.H.v. 208,00 Euro, in den übrigen Monaten bis einschließlich Dezember in Höhe von jeweils 384,00 Euro an den Kläger ausgezahlt. Die Stadt K bewilligte dem Kläger Unterhaltsleistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UhVorschG) f...