Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankengeld. Nachsichtgewährung bei Versäumung der Meldefrist nach § 49 Abs 1 Nr 5 SGB 5
Orientierungssatz
Die Voraussetzungen für eine Nachsichtgewährung bei Versäumung der Meldefrist nach § 49 Abs 1 Nr 5 SGB 5 liegen vor, wenn der Versicherte davon ausgehen konnte, dass sich der Vertragsarzt unter Nutzung der von der betreffenden Krankenkasse zur Verfügung gestellten Freiumschläge um die Weiterleitung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung an die Krankenkasse kümmern werde.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 16.02.2017 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers auch im Berufungsverfahren.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Zahlung von Krankengeld für die Zeit vom 05. bis zum 19.08.2015 i.H.v. 601,02 EUR.
Der 1964 geborene Kläger stand 2015 in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis als Verkäufer in einem S-Supermarkt und war bei der Beklagten krankenversichert. Im April 2015 erlitt er einen Herzinfarkt, wodurch er arbeitsunfähig wurde (stationäre Behandlung vom 24. bis zum 30.04.2015). Ab dem 15.06.2015 nahm der Kläger an einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme zu Lasten der Deutschen Rentenversicherung (DRV) teil. Ein erster Versuch der Wiedereingliederung scheiterte nach wenigen Tagen am 04.08.2015.
Nach dem Ende der sechswöchigen Entgeltfortzahlung gewährte die Beklagte dem Kläger vom 05. bis zum 14.06.2015 Krankengeld (42,93 EUR täglich). Im Anschluss daran wurde von der DRV bis zum 04.08.2015 Übergangsgeld gezahlt.
Arbeitsunfähigkeit (AU) aufgrund des Herzinfarktes wurde seit dem 24.04.2015 durchgehend ärztlich bescheinigt - am 04.05. und 12.06.2015 durch seinen Hausarzt, den Allgemeinmediziner und Knappschaftsarzt, N., sowie am 15.07.2015 durch den Allgemeinmediziner Dr. H. bis zum 03.08.2015.
Am 04.08.2015 stellte sich der Kläger wieder bei seinem Hausarzt vor, der ihm unter diesem Datum AU-Bescheinigung bis zum 13.09.2015 ausstellte. Herrn N. standen damals in seiner Praxis Freiumschläge zur Verfügung, die die Beklagte bis 2016 Ärzten zum Zwecke der Übersendung von AU-Bescheinigungen ihrer Versicherten an sie überließ.
Am 20.08.2015 sprach der Kläger bei der Dienststelle der Beklagten in B vor. Auf Nachfrage wies er die Beklagte auf die von Herrn N. unter dem 04.08.2015 attestierte AU bis zum 13.09.2015 hin. Außerdem legte er eine weitere Bescheinigung des Herrn N. (ebenfalls) vom 04.08.2015 vor, in der die Hintergründe für den Abbruch der Wiedereingliederungsmaßnahme dargelegt wurden. Ferner wurde aufgrund der Vorsprache des Klägers bei der Beklagten noch am 20.08.2015 von der Praxis des Herrn N. eine (auf den 19.08.2015 datierte) AU-Bescheinigung bis zum 13.09.2015 (Ausfertigung für den Arbeitgeber) per Telefax an die Beklagte gesandt. Diese Bescheinigung enthält den aufgedruckten Hinweis: "Der angegebenen Krankenkasse wird unverzüglich eine Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit mit Angaben über die Diagnose sowie die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit übersandt."
Durch Bescheid vom 02.09.2015 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie Krankengeld (wieder) für die Zeit vom 20. bis zum 31.08.2015 angewiesen habe. In der Zeit vom 05. bis zum 19.08.2015 ruhe der Krankengeldanspruch, da die Attestierung der AU durch Herrn N. erst am 20.08.2015 bekannt geworden und damit nicht innerhalb einer Woche nach der ärztlichen Feststellung am 04.08.2015 angezeigt worden sei.
Dagegen erhob der Kläger Widerspruch mit der Begründung, Herr N. habe der Beklagten die AU-Bescheinigung fristgemäß unmittelbar zugeleitet. Ob und warum diese bei der Beklagten nicht eingegangen sei, entziehe sich seiner Kenntnis. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 28.10.1981 - 3 RK 59/80) könne sich ein Träger der gesetzlichen Krankenversicherung nicht auf ein Ruhen des Krankengeldanspruches berufen, wenn der nicht rechtzeitige Zugang der Meldung auf Umständen beruhe, die in den Verantwortungsbereich der Krankenkasse fielen und der Versicherte weder gewusst habe noch habe wissen müssen, dass die Krankenkasse von der AU keine Kenntnis erlangt habe. Ergänzend übersandte er ein Duplikat der am 04.08.2015 ausgestellten zur Vorlage bei der Krankenkasse bestimmten Ausfertigung der AU-Bescheinigung sowie einen PC-Ausdruck seines behandelnden Arztes, wonach diese AU-Bescheinigung für die Zeit bis zum 13.09.2015 am 04.08.2015 ausgestellt worden ist.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15.12.2015 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch zurück. Nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V ruhe der Anspruch auf Krankengeld, solange die AU der Krankenkasse nicht gemeldet werde. Dies gelte nicht, wenn die Meldung innerhalb einer Woche nach Beginn der AU erfolge oder das Versäumnis nicht vom Versicherten zu verantworten sei. In der Zeit vom 05. bis zum 19.08.2015 ruhe der Anspruch des Kläger...