Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Erhöhung der Unfallrente. Schwerverletzter. dauerhafte Unfähigkeit einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Auslegung. vollständiges und endgültiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben. Abgrenzung zur vollen Erwerbsminderung gem § 43 Abs 2 S 2 SGB 6
Orientierungssatz
1. Ein schwerverletzter Versicherter ist iS des § 57 SGB 7 nur dann nicht mehr in der Lage, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, wenn er - infolge des Arbeitsunfalls - auf Dauer überhaupt keiner Erwerbstätigkeit mehr nachgehen kann. Gemeint ist damit eine dauerhafte Unfähigkeit, durch eine berufliche Tätigkeit Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, dh der Versicherte muss unfallbedingt endgültig und vollständig aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sein.
2. Die Voraussetzung "Unfähigkeit, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen" ist daher auch nicht gleichbedeutend mit dem Begriff der "vollen Erwerbsminderung" iS des § 43 Abs 2 S 2 SGB 6.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 08. November 2005 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte den Verletztenrentenbetrag des Klägers gemäß § 57 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch - Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) um 10 v.H. zu erhöhen hat.
Der 1953 geborene Kläger erlitt am 30.09.1996 infolge seiner Tätigkeit als selbständiger Handelsvertreter mit Außendiensttätigkeit ohne Mitarbeiter einen Arbeitsunfall, als er sich bei dem Versuch, sein fallendes Motorrad abzufangen, eine Verletzung der rechten Schulter zuzog. Nach konservativer Behandlung der Spongiosamikrofraktur rechts trat am 12.11.1996 wieder Arbeitsfähigkeit ein. Die Beklagte gewährte dem Kläger zunächst vom 30.09.1996 bis zum 11.11.1996 Verletztengeld.
Bei Beschwerdeprogredienz begab sich der Kläger Ende April 1997 erneut in ärztliche, Arbeitsunfähigkeit bedingende Behandlung durchgehend bis zum 30.04.1999. In der Folgezeit wurde er mehrfach an der rechten Schulter operiert und seit dem Frühjahr 1999 zudem nervenärztlich wegen ständiger Schulterschmerzen und Konzentrationsschwäche behandelt.
Prof. Dr. P, Leiter der Orthopädischen Klinik des Evangelischen Fachkrankenhauses S, hielt den Kläger in einem Gutachten vom 07.09.1999 nebst Stellungnahme vom 25.10.1999 für arbeitsfähig als selbständiger Finanzberater unter der Voraussetzung, dass er die beratende Tätigkeit bei wirksamer Schmerzmedikation an einem festen Ort verrichten könne. Fahrtüchtigkeit zwecks Berufsausübung bestehe nicht mehr. Allerdings sei er vollschichtig für geistige Arbeiten einsetzbar, die seinem Ausbildungsgrad entsprächen. Die Beklagte gewährte daraufhin erneut Verletztengeld über den 30.04.1999 hinaus (Bescheid vom 07.12.1999). Zum 10.01.2000 stellte sie die Verletztengeldzahlung basierend auf einem Bericht des Berufsförderungswerkes Michaelshoven vom 04.01.2000 ein, da im Hinblick auf die erheblichen Funktionsbeeinträchtigungen des Schultergelenks, das chronifizierte Schmerzsyndrom der Schulter, die erheblichen Einschränkungen der Konzentrationsfähigkeit, Belastbarkeit und der Fahrtüchtigkeit mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit im Beruf als selbständiger Vermögensberater nicht mehr zu rechnen und berufsfördernde Maßnahmen nicht zu erbringen seien (Bescheid vom 17.02.2000). Laut dieses Berichtes sei der Kläger voll einsatzfähig für sehr leichte Tätigkeiten, beschränkt einsatzfähig (4 - 5 Stunden täglich) als Außendienstmitarbeiter in Vermögensberatung bei problematischer Fahrtätigkeit und ebenfalls beschränkt einsatzfähig (5 Stunden täglich) für allgemeine Bürotätigkeiten jeweils unter ergonomischer Arbeitsplatzgestaltung. Im Widerspruchsverfahren trug der Kläger vor, nur unfallchirurgisch sei ein Endzustand erreicht; in schmerztherapeutischer wie psychiatrischer Hinsicht sei er sehr wohl therapierbar und rehabilitationsfähig.
Der Chirurg Dr. B, I, beschrieb in seinem auf Veranlassung des Klägers erstatteten Gutachten vom 16.01.2000 als Unfallfolgen eine Funktionseinschränkung des rechten Schultergelenks in allen Bewegungsrichtungen, eine Verschmächtigung der Schultergürtel-, Schulter- und Oberarmmuskulatur, eine Narbenbildung, röntgenografische Veränderungen, eine Herabsetzung der Trage- und Belastungsfähigkeit, Missempfindungen im Bereich des Ellennervenausbreitungsgebietes und ein chronisches Kopfschmerzsyndrom mit Funktionsbeschwerden der Halswirbelsäule nach Intervention durch Spinalanästhesie. Die unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) schätzte er mit 30 v. H. ein.
Prof. Dr. med. Dipl.-Psych. H / Dr. med. Dipl.-Psych. L, Schmerzklinik, Klinik für neurologisch-verhaltensmedizinische Schmerztherapie, L, führten in ihrem Gutachten vom 13.07.2000 aus: Auf neurologisch-psychiatrischem und schmerztherapeutischem Gebiet lägen beim...