Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Wegeunfall. sachlicher Zusammenhang. Beginn des versicherten Weges. Durchschreiten der Außentür. Verlassen des häuslichen Bereichs. versperrte Wohnungstür. Dachfensterausstieg auf das Parterredach des Mehrfamilienhauses. abgebrochener Haustürschlüssel im Schloss innerseits der Wohnung. Drogenkonsum
Orientierungssatz
1. Ebenso wie Alkohol kann jede andere legal, zB als Medikament, oder illegal vom Versicherten aus nicht versicherten Gründen zu sich genommene Substanz den sachlichen Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der Verrichtung zur Zeit des Unfalls beseitigen, wenn sie zu einer Lösung vom Betrieb geführt hat, oder die Unfallkausalität zwischen der versicherten Verrichtung zur Zeit des Unfalls und dem Unfallereignis ausschließen, wenn sie die allein wesentliche Bedingung für den Unfall war (BSG vom 30.1.2007 - B 2 U 23/05 R = juris-RdNr 27). Beweisbelastet ist insoweit die Beklagte (vgl BSG vom 30.1.2007 - B 2 U 23/05 R = BSGE 98, 79).
2. Ist der Weg durch die Außentür nicht möglich, so ist entgegen der Auffassung des SG ein Fenster (auch im oberen Geschoss) der Außentür grundsätzlich gleichgestellt (vgl LSG Schleswig vom 19.12.2001 - L 8 U 17/01 = NZS 2002, 489; vgl BSG vom 15.12.1959 - 2 RU 143/57 = BSGE 11, 156). Dies kann allerdings nach Ansicht des Senats nur unter der Voraussetzung gelten, dass durch das Aussteigen durch ein Fenster tatsächlich der häusliche Bereich verlassen wird.
3. Wird das Haus anders verlassen als durch eine Außentür, ist deshalb eine vergleichbar klare Trennung in dem Sinne zu verlangen, dass auf dem Weg nach draußen tatsächlich die Grenze überschritten wird, die den "häuslichen Bereich" vom "öffentlichen Raum" trennt. Ein solcher "öffentlicher Raum" setzt nach dem Verständnis des Senats in Abgrenzung zum "häuslichen Bereich" zumindest voraus, dass er von außen auf normalem Wege - ohne Betreten des Hauses - erreicht werden kann. Dies ist bei einer Dachfläche, wie auch zB bei einem Balkon, nicht der Fall.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 29.04.2014 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger am 17.03.2012 einen Arbeitsunfall erlitten hat.
Der Kläger betrieb seit 2008 als selbständiger Kfz-Lackierer die Fa. "C", A 00, I, und war in dieser Eigenschaft bei der Beklagten pflichtversichert. Wohnhaft war er seinerzeit 2 km von seinem Arbeitsplatz entfernt in I in der S-straße 00, einem 2 ½-stöckigen Mehrfamilienhaus. Dort wohnte der Kläger im Dachgeschoss. Diese Wohnung beabsichtigte er aufzugeben, der Umzug in eine andere Wohnung war aber noch nicht vollzogen.
Der einzige Hauseingang des Hauses S-straße 00 befindet sich an einem zur M-straße hin mit einem nie abgeschlossenen Törchen versehenen Stichweg, den Fußgänger und Radfahrer nutzen. Das Erdgeschoss ist größer als die darüber liegenden Geschosse und springt zu dem genannten Stichweg hin vor; dieser Vorsprung ist mit einem Flachdach gedeckt, das etwa 2,60 m über dem Niveau des Stichweges liegt. Mehrere Fenster der darüber liegenden Wohnung der Mieterin Frau C1 gehen auf dieses Flachdach hinaus. Darüber wiederum liegt die Dachgeschosswohnung des Klägers. Die Fenster dieser Wohnung liegen in einer Schleppgaube im Satteldach des Hauses, wiederum etwa 2,60 m oberhalb des genannten Flachdaches und von diesem durch die unteren vier Ziegelreihen der Dachschräge, die Dachrinne und die Außenwand der Wohnung C1 getrennt.
Am 17.03.2012, einem Samstag, verunglückte der Kläger bei dem Versuch, seine im Dachgeschoss in der S-straße gelegene Wohnung über das Fenster zu verlassen. Hierzu wollte er über das Dach zunächst den Vordachbereich vor der ein Stockwerk tiefer liegenden Wohnung der Mieterin C1 erreichen. Er stürzte jedoch ab und zog sich eine Verletzung am Unterschenkel rechts zu. Laut Notarzteinsatzprotokoll erfolgte der Alarm um 16:25 Uhr, der Notarzt traf um 16:34 Uhr ein und der Kläger wurde um 16:51 Uhr abtransportiert. Der Kläger gab dem Notarzt gegenüber an, er sei aus dem Fenster einen Stock tiefer gesprungen, weil er sich ausgesperrt habe, um in die darunter liegende Wohnung zu kommen.
Beim Durchgangsarzt (D-Arzt) Unfallchirurg PD Dr. L vom Krankenhaus C, H, traf der Kläger nach dessen Bericht am 17.03.2012, 11:40 (richtig wohl: 17:40) ein; der Gebührenbescheid des Rettungsdienstes nennt als Uhrzeit 17:41 Uhr. PD Dr. L diagnostizierte eine drittgradig offene Unterschenkelfraktur rechts und Drogenabusus. Der D-Arzt befundete weite Pupillen, fahrige und verwaschene Sprache. Laut D-Arztbericht gab der Kläger dort an, der Unfall sei gegen 15 Uhr passiert. Gegen 13 Uhr habe er sich 1/4 Gramm Kokain intravenös verabreicht. Nach früherem Drogenabusus sei dies ein seltener "Ausrutscher" gewesen. Der "Kick...