Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Vermögensberücksichtigung. Kapitallebensversicherung. keine Vereinbarung eines Verwertungsausschlusses. mehrfache Beleihung. Selbstständiger ohne formale Befreiung von der Rentenversicherungspflicht. besondere Härte. verfassungskonforme Auslegung
Orientierungssatz
Die Verwertung einer zur Altersvorsorge abgeschlossenen Kapitallebensversicherung eines ca 20 Jahre selbstständig Tätigen, der formal nicht von der Rentenversicherungspflicht befreit wurde (§ 12 Abs 3 S 1 Nr 3 SGB 2) und der die Vereinbarung eines Verwertungsausschlusses nach § 165 VVG ablehnt (§ 12 Abs 2 Nr 3 SGB 2), stellt keine besondere Härte iS von § 12 Abs 3 S 1 Nr 6 SGB 2 dar, wenn die Versicherung mehrfach beliehen wurde. Soweit der durch die Beleihung verringerte Rückkaufswert die zustehenden Freibeträge nach § 12 Abs 2 Nr 1 und Nr 4 SGB 2 übersteigt, ist die Lebensversicherung als Vermögen zu berücksichtigen.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 10. Mai 2005 wird zurückgewiesen. Die weitergehende Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Bewilligung von Arbeitslosengeld II (Alg II). Der am 00.00.1956 geborene ledige Kläger beantragte am 9.12.2004 Alg II nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) - Grundsicherung für Arbeitsuchende. Er gab hierbei an, er sei 20 Jahre selbstständig und in dieser Zeit nicht von der Rentenversicherungspflicht befreit gewesen, sondern habe lediglich keine Beiträge eingezahlt. Er beziehe eine private Rente von monatlich EUR 439,17. Außerdem verfüge er am 9.12. 2004 per 31.12.2004 über eine Lebensversicherung mit einem Rückkaufswert von EUR 62.895,-, die er am 3. 12. 1986 abgeschlossen habe. Auf diese habe er ein Policendarlehen von EUR 20.000,- zum Antragszeitpunkt aufgenommen, so dass sich der Rückkaufswert nach Auskunft des Versicherers auf EUR 40.813,87 verringere. Ausweislich der Renteninformation 2003 habe er aus der gesetzlichen Rentenversicherung auf Grund seiner Beitragsleistung vom 16. 8. 1971 bis 30. 9. 1981 einen monatlichen Rentenanspruch von EUR 88,23 erworben, was 3,3767 Entgeltpunkte entspreche. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 17. 12. 2004 ab, weil der Kläger im Hinblick auf seine Vermögensverhältnisse nicht im Sinne des § 7 Absatz 1 SGB II hilfebedürftig sei. Der Kläger erhob hiergegen am 27.12.2004 Widerspruch, mit dem er geltend machte, die Lebensversicherung sei im Hinblick auf seine 20-jährige Selbständigkeit als Altersvorsorge anzuerkennen und dürfe nicht als Vermögen berücksichtigt werden. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 2. 2. 2005 weiterhin mit der Begründung zurück, der Kläger sei nicht hilfebedürftig, weil der Wert der Lebensversicherung die ihm zustehende Freigrenze von EUR 10.350,- überschreite (abgesandt am 3.2.2005).
Hiergegen richtete sich die am 2.3. 2005 erhobene Klage. Der Kläger hat zu deren Begründung weiterhin vorgetragen, er habe während seiner Selbstständigkeit keine Rentenansprüche erworben. Er sei deshalb in besonders hohem Maße auf sein privat angespartes Vermögen angewiesen. Es stelle eine besondere Härte im Sinne des § 12 Absatz 3 Nr. 6 SGB II dar, wenn er seine Lebensversicherung verwerten müsse. Außerdem sei die Kündigung wirtschaftlich nicht sinnvoll. Letztlich werde er im Verhältnis zu denjenigen, die von der Rentenversicherungspflicht befreit seien und deren Vermögen deshalb nach § 12 Absatz 3 Nr. 3 SGB II nicht berücksichtigt werde, ungleich behandelt.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 10. 5. 2005 abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, der Kläger sei nach § 7 Absatz 1 Nr. 3 SGB II nicht hilfebedürftig, weil er seinen Lebensunterhalt aus seinem Vermögen sichern könne (§ 9 Absatz 1 SGB II). Denn seine Lebensversicherung sei gemäß § 12 Absatz 1 SGB II mit einem Wert von EUR 44.729,11 sowie sein weiteres Guthaben auf den Giro - und Sparkonten in Höhe von EUR 1.802,99, EUR 29,43 und EUR 31,12 zu verwerten. Seine Eigentumswohnung stelle geschütztes Vermögen dar. Seine Lebensversicherung habe zum Antragszeitpunkt unter Anrechnung des Policedarlehens einem Rückkaufswert von EUR 42.895,- gehabt, von dem ein Freibetrag in Höhe von EUR 10.350,- gemäß § 12 Absatz 2 SGB II abzusetzen sei. Dieser setze sich gemäß § 12 Absatz 2 Nr. 1 SGB 2 aus einem Betrag von EUR 9.600,- (48 Lebensjahre x EUR 200,- = EUR 9.600,-) und dem weiteren Freibetrag nach § 12 Absatz 2 Nr. 4 SGB II in Höhe von EUR 750,- für notwendige Anschaffungen zusammen. Weitere Freibeträge seien nach § 12 Absatz 2 SGB II nicht zu berücksichtigen. So lägen die Voraussetzungen des § 12 Absatz 2 Nr. 3 SGB II nicht vor, weil der Kläger keine vertragliche Vereinbarung über das für seine Altersvorsorge angesparte Vermögen abgeschlossen habe, nach der dieses nicht vor Eintritt in den Ruhestand verwertet w...