Entscheidungsstichwort (Thema)

Bemessung des Elterngeldes für einen selbständig tätigen Berechtigten

 

Orientierungssatz

1. Erfüllt ein Antragsteller zur Bewilligung von Elterngeld die Leistungsvoraussetzungen nach § 1 BEEG und ist der Höhe des Elterngeldes dessen Einkommen aus selbständiger Tätigkeit zugrunde zu legen, so ist dafür der letzte abgeschlossene steuerliche Veranlagungszeitraum gemäß § 2b Abs. 2 S. 1 BEEG maßgeblich.

2. Die unterschiedliche Behandlung von Einkommen aus selbständiger und nichtselbständiger Tätigkeit bei der Ermittlung des Bemessungszeitraums verstößt nicht gegen das GG (BSG Urteil vom 21. 6. 2016, B 10 EG 8/15 R). Die Berücksichtigung des Gesichtspunkts der Verwaltungsvereinfachung ist hierbei zulässig.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 21.08.2017; Aktenzeichen B 10 EG 7/17 B)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 27.11.2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um höhere Leistungen nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG).

Die am 00.00.1971 geborene Klägerin ist seit 2007 als selbständige Rechtsanwältin tätig und freiwillig gesetzlich krankenversichert. Seit 2009 ist sie mit dem Bevollmächtigten verheiratet. Im Jahr 2012 erzielte sie Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit in Höhe von 33.062 EUR. Am 07.10.2013 gebar sie das Kind M G-F Die Krankenkasse zahlte Mutterschaftsgeld für die Zeit vom 02.09.2013 bis zum 09.12.2013 in Höhe von kalendertäglich 63,93 EUR.

Am 20.09.2013 beantragte die Klägerin beim Beklagten Elterngeld für den ersten bis zum 14. Lebensmonat des Kindes. Im Bezugszeitraum erziele sie kein Einkommen. Der Beklagte gewährte der Klägerin mit Bescheid vom 18.11.2013 unter Anrechnung des Mutterschaftsgeldes Elterngeld für den ersten bis zum zwölften Lebensmonat des Kindes (erster und zweiter Lebensmonat 0,- EUR, dritter Lebensmonat 1.352,98 EUR, vierter bis zwölfter Lebensmonat 1.497,94 EUR monatlich). Leistungen für den 13.-14. Lebensmonat stünden nicht zu, da ein Leistungsanspruch nur für zwölf Monate bestehe und Monate, in denen Mutterschaftsgeld bezogen werde, als Leistungsmonate anzusehen seien. Als monatliches Bemessungseinkommen legte der Beklagte ein Zwölftel des sich aus dem Einkommensteuerbescheid für 2012 ergebenden Einkommens aus selbständiger Erwerbstätigkeit zugrunde. Die Klägerin legte am 20.11.2013 Widerspruch ein. Bei der Berechnung des Bemessungsentgelts seien wie bei Arbeitnehmern die zwölf Monate vor der Geburt zugrunde zu legen. Wie in anderen Rechtsgebieten sei grundsätzlich das aktuelle Einkommen maßgeblich. Nachdem der Kinderwunsch anfänglich wegen berufsbedingten Stresses nicht habe realisiert werden können, habe sie 2011 und 2012 die Arbeitszeit reduziert. In Analogie zu § 2b Abs. 2 Satz 2 BEEG sei daher, wenn schon nicht das Einkommen der letzten zwölf Monate vor der Geburt, so doch wenigstens das Einkommen aus 2010 zugrunde zu legen. In beiden Fällen ergebe sich ein Elterngeldanspruch von 1.800 EUR monatlich. Die Bezirksregierung Münster wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 27.01.2014 zurück.

Der Beklagte erklärte mit Bescheid vom 19.02.2014 die Leistungsbewilligung für vorläufig und nach Vorlage einer Einnahme-Überschuss-Rechnung durch die Klägerin für den Bezugszeitraum mit Bescheid vom 11.12.2014 wieder für endgültig.

Die Klägerin hat am 25.02.2014 Klage beim Sozialgericht Köln erhoben. Sie hat vorgetragen, sie begehre Elterngeld nur noch für die ersten zwölf Lebensmonate. Die Maßgeblichkeit der zwölf Monate vor der Geburt für das Bemessungsentgelt ergebe sich aus dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 09.12.2009 (B 10 EG 2/09 R). Die Zugrundelegung des letzten abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraums sei mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Gerade für selbständig tätige Berufsanfängerinnen stelle der Rückgriff auf diesen Zeitraum eine ungerechtfertigte Benachteiligung dar. Dass die Ermittlung des Einkommens Selbständiger auch ohne Rückgriff auf einen Steuerbescheid möglich sei, zeige die Ermittlung des Einkommens im Bezugszeitraum.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 27.11.2014 abgewiesen. Die Maßgeblichkeit des letzten abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraums ergebe sich aus dem Gesetz. Ausnahmen nach § 2b Abs. 2 Satz 2 BEEG lägen nicht vor. Eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung liege ebenfalls nicht vor. Einkommen aus selbständiger und nichtselbständiger Tätigkeit sei nicht vergleichbar. Die Regelungen des BEEG für Selbständige führten zum Teil auch zu Vorteilen gegenüber abhängig Beschäftigten. Der Schutzbereich von Art. 12 GG sei nicht betroffen.

Die Klägerin hat gegen das ihrem Bevollmächtigten am 10.12.2014 zugestellte Urteil am 09.01.2015 Berufung eingelegt. Der Schutzbereich von Art. 12 GG sei insofern betroffen, als die Regelungen des BEEG einen Anreiz für junge Berufseinsteigerinnen schafften, eine abhängige Besch...

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