Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen des Anspruchs auf Gewährung ungeteilter Witwenrente

 

Orientierungssatz

1. Nach § 91 S. 1 SGB 6 erhält, wenn für denselben Zeitraum aus den Rentenanwartschaften eines Versicherten Anspruch auf Witwenrente für mehrere Berechtigte besteht, jeder Berechtigte den Teil der Witwenrente, der dem Verhältnis der Dauer seiner Ehe mit dem Versicherten zu der Dauer der Ehen des Versicherten mit allen Berechtigten entspricht.

2. Ein Anspruch auf ungekürzte Weiterzahlung der großen Witwenrente ist ausgeschlossen, wenn der weiteren Witwe eines vor dem 1. 7. 1977 geschiedenen Ehegatten ein Anspruch auf Witwenrente zusteht. Hat diese im letzten Jahr vor dem Tod ihres geschiedenen Ehemannes von diesem zwar keinen Unterhalt erhalten, aber - was gleichwertig ist - im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor seinem Tod Anspruch auf Unterhalt gehabt, der 25 % des notwendigen Mindestbedarfs i. S. des Sozialhilferechts erreicht, so besteht insoweit ein Anspruch auf Gewährung von Witwenrente.

3. Für einen Rentenverzicht der weiteren Witwe, welcher einen Anspruch auf Gewährung ungeteilter großer Witwenrente begründen würde, ist die Witwe darlegungs- und beweisverpflichtet.

4. Der Umstand, dass ein Unterhaltsanspruch über Jahre nicht geltend gemacht worden ist, erfüllt als reines Nichtstun zwar das Zeitmoment der Verwirkung, ersetzt aber nicht das zusätzlich notwendige Verhalten.

 

Normenkette

SGB VI § 91 S. 1, § 243 Abs. 2 Nr. 3; BGB § 1571 Nr. 3, § 1582 Abs. 1, § 1609 Abs. 2 S. 2, § 138 Abs. 1, § 242; EheG § 58 Abs. 1, §§ 59, 65 Abs. 1, §§ 66, 72 Sätze 1, 3; BSHG § 2 Abs. 1, 2 S. 1, § 25 Abs. 2; SGB X § 48 Abs. 1 Sätze 1, 2 Nr. 4, § 50 Abs. 1; SGG § 54 Abs. 2 S. 1, § 193 Abs. 1 S. 1

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 17.5.2013 sowie der Bescheid der Beklagten vom 9.2.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.4.2012 aufgehoben, soweit die Beklagte darin den Bescheid vom 9.7.2002 auch für den Monat Februar 2012 aufgehoben und für diesen Monat 253,96 EUR zurückgefordert hat. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen auch im zweiten Rechtszug zu erstatten; im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Höhe eines Anspruchs auf (große) Witwenrente.

Die 1935 geborene Klägerin ist die zweite Ehefrau und Witwe des am 00.00.1933 geborenen und am 00.00.2002 verstorbenen Versicherten K Q (fortan: Versicherter).

Der Versicherte war in erster Ehe mit der 1938 geborenen V L verheiratet. Aus der Ehe gingen drei 1955, 1957 und 1958 geborene Kinder hervor. Die Ehe wurde aus überwiegendem Verschulden des Versicherten geschieden (Urteil des Landgerichts (LG) F vom 5.5.1966, Aktenzeichen (Az) 4 R 00/65, rechtskräftig seit dem 28.6.1966). Zunächst zahlte der Versicherte seiner früheren Ehefrau Ehegattenunterhalt in Höhe von monatlich 150 DM und daneben Unterhalt für die drei gemeinsamen Kinder. In einem zwischen den früheren Eheleuten am 24.11.1966 geschlossenen Vergleich verpflichtete sich der Versicherte, den gemeinsamen Kindern je 100 DM Kindesunterhalt zu zahlen; nachehelicher Unterhalt wurde darin nicht geregelt, aber tatsächlich nicht mehr gezahlt. Die frühere Ehefrau bezog anschließend Leistungen der Sozialhilfe.

Der Versicherte ging bereits nach der Trennung von seiner früheren Ehefrau eine Beziehung zur Klägerin ein, aus der im Februar 1967 eine gemeinsame Tochter hervorging. Im Mai 1967 heirateten der Versicherte und die Klägerin, 1972 kam ein gemeinsamer Sohn zur Welt. Die Klägerin war während der Ehe nicht berufstätig. Nach dem Tod des Versicherten gewährte die Beklagte der Klägerin große Witwenrente in Höhe von (iHv) zunächst 1.027,39 EUR/Monat (Bescheid vom 9.7.2002). Daneben erhält die Klägerin (seit August 2000) von der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Westfalen Regelaltersrente iHv anfänglich umgerechnet 185,67 EUR netto.

Die frühere Ehefrau wandte sich nach der Scheidung einem verheirateten Mann zu und unterhielt zu ihm eine nichteheliche Beziehung, aus der zwei 1969 und 1970 geborene Kinder hervorgingen. Deren Vater zahlte (nur) Unterhalt für seine Kinder. Die frühere Ehefrau bezog weiter Sozialhilfe. Erst ab 1989 war sie für etwa 6 Jahre sozialversicherungspflichtig als Helferin in der Altenpflege beschäftigt. Anschließend bezog sie Krankengeld und Leistungen der Bundesagentur für Arbeit. Etwa seit 2001 übernahm sie als Selbstständige gelegentlich und in geringem Umfang Pflegedienste. Seit Juni 2001 bezieht sie eine eigene Altersrente für Frauen von der DRV Bund (als Rechtsnachfolgerin der früheren Bundesversicherungsanstalt für Angestellte) in Höhe von (iHv) monatlich zunächst umgerechnet 384,12 EUR netto (Bescheid vom 18.9.2001) und daneben eine Betriebsrente der Kirchlichen Zusatzversorgungskasse Rheinland-Westfalen iHv rund 40 EUR/Monat. Außerdem wurde sie nach eigenen Angaben zunächst von ihren Kindern finanz...

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