Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Verfahrensmangel. Entscheidung durch Einzelrichter. Verletzung des Grundsatzes des gesetzlichen Richters
Orientierungssatz
§ 155 Abs 3 SGG berechtigt und verpflichtet den Berichterstatter nicht dazu, vor einer von den Beteiligten gewünschten Einzelrichterentscheidung die anderen Berufsrichter zu beteiligen. Dies würde vielmehr einen Verstoß gegen den gesetzlichen Richter des Art 101 GG bedeuten. Denn weder Wortlaut noch Entstehungsgeschichte, Gesetzeszusammenhang oder Sinn und Zweck des § 155 Abs 3 SGG lassen die obige einschränkende Auslegung der Norm zu (Entgegen BSG vom 23.8.2007 - B 4 RS 2/06 R = SozR 4-1500 § 155 Nr 1, BSG vom 8.11.2007 = B 9/9a SB 3/06 R und BSG vom 29.1.2008 = B 7/7a AL 40/06 R).
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten wegen der ungekürzten Zahlung der Witwenrente der Klägerin.
Die Klägerin ist die Witwe des Versicherten F, der am 15.11.07 an einer als Berufskrankheit anerkannten Krebserkrankung verstorben ist. Mit Bescheid vom 30.11.07 bewilligte die Beklagte der Klägerin Große Witwenrente ab 01.12.07 mit einem Zahlbetrag von 1.139,28 Euro. Durch Bescheid vom 17.04.08.gewährte die Bergbau-Berufsgenossenschaft der Klägerin Witwenrente ab 15.11.07 in Höhe von 947,89 Euro. Mit Bescheid vom 05.05.08 nahm die Beklagte ihren Bescheid vom 30.11.07 hinsichtlich der Rentenhöhe mit Wirkung vom 01.06.08 wegen der zuerkannten Rente aus der Unfallversicherung zurück. Der Zahlbetrag der Rente belief sich auf 302,07 Euro. Für den Nachzahlungszeitraum machte sie gegenüber der Bergbau-Berufsgenossenschaft einen Erstattungsanspruch in Höhe von 6.697,65 Euro geltend, der von dieser befriedigt wurde.
Die Klägerin legte wegen der Kürzung Widerspruch ein, den die Beklagte am 20.11.2008 zurück wies. Die dagegen rechtzeitig erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen am 18.9.2009 als unbegründet abgewiesen. Es hat gemäß § 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf die angefochtenen Bescheide Bezug genommen und ergänzend zur Begründung ausgeführt: "Die Klägerin kann von der Beklagten nicht verlangen, ihre Große Witwenrente ohne Anrechnung der Witwenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung gezahlt zu bekommen. Zum einen war die Beklagte berechtigt, ihren Bescheid vom 30.11.07 hinsichtlich der Rentenhöhe mit Wirkung vom 01.06.08 aufzuheben. Rechtsgrundlage hierfür ist § 48 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch - (SGB X), wonach ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben ist, soweit in den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass des Verwaltungsaktes vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Bescheid vom 05.05.08 hebt die Rentenbewilligung nur mit Wirkung für die Zukunft auf, da er eine Änderung ab 01.06.08 und damit nach dem Zeitpunkt des gem. § 39 SGB X durch Bekanntgabe erfolgten Wirksamwerdens des Bescheides bestimmt.
Die für die Rentenbewilligung maßgebenden Verhältnisse haben sich nachträglich dadurch geändert, dass der Klägerin durch Bescheid vom 17.04.08 Witwenrente aus der Unfallversicherung zuerkannt worden ist mit der Folge, dass die Große Witwenrente gemäß § 93 Abs. 1 Sozialgesetzbuch - Sechstes Buch - (SGB VI) insoweit nicht geleistet wird, als die Summe der zusammentreffenden Rentenbeträge vor Einkommensanrechnung den jeweiligen Grenzbetrag übersteigt.
Zur Überzeugung des Gerichts verstößt § 93 SGB VI auch nicht gegen das Grundgesetz. Insoweit stützt sich die Kammer in vollem Umfang auf die Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) vom 31.03.98 (Az.: B 4 RA 49/96 R) und vom 29.07.04 (Az.: B 4 RA 51/03 R) und macht sich diese zu eigen. Zwar hat die Beklagte die Klägerin vor Erlass ihres Bescheides nicht angehört. Gemäß § 24 Abs. 2 Nr. 5 SGB X kann jedoch von einer Anhörung abgesehen werden, wenn einkommensabhängige Leistungen geänderten Verhältnissen angepasst werden sollen. Die Aufnahme der laufenden Zahlungen aus der Unfallversicherung ist als Erzielung von Einkommen anzusehen, das zum teilweisen Wegfall des Anspruchs gegen die Rentenversicherung führt.
Ein Anspruch der Klägerin auf Erstattung der "berufsgenossenschaftlichen Nachzahlung" in Höhe von 6.697,65 Euro besteht ebenfalls nicht. Dies liegt an der Erfüllungsfiktion des § 107 Abs. 1 SGB X. Danach erlischt der Anspruch des Leistungsberechtigten, soweit ein Erstattungsanspruch eines vorleistenden Leistungsträgers gegenüber dem tatsächlich zuständigen Leistungsträger besteht. Aufgrund der Regelung des § 93 SGB VI hat die Beklagte in dem Zeitraum, für den nachträglich die Witwenrente von der Berufsgenossenschaft zugesprochen worden ist, 6.697,65 Euro zuviel gezahlt. In dieser Höhe hatte sie einen Erstattungsanspruch gegen die Berufsgenossenschaft nach § 103 Abs. 1 SGB X (vgl. BSG, Urteil vom 26.04.05 - Az.: B 5 RJ 36/04 R). Die von der Klägerin beigebrachten Urteile des Sozialgerichts Du...