rechtskräftig
Verfahrensgang
SG Dortmund (Aktenzeichen S 12 P 275/96) |
Nachgehend
BSG (Aktenzeichen B 3 RP 11/97) |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um eine Geldleistung der Pflegeversicherung nach der Pflegestufe I.
Der 1981 geborene Kläger leidet an einem Diabetes mellitus Typ I. Wegen dieser Erkrankung muß er eine strenge, genau berechnete Diät einhalten, Blut- und Urinzuckermessungen vornehmen, sich Spritzen setzen und ein Blutzucker-Tagebuch führen.
Am 24.04.1995 beantragte der Kläger ein Pflegegeld aus der gesetzlichen Pflegeversicherung. In einem auf Veranlassung der Beklagten eingeholten Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) kam der beratende Arzt Dr. R. zum Ergebnis, daß Pflegebedürftigkeit nicht vorliege. Ein Hilfebedarf bestehe lediglich im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung beim "Kochen", weil der Kläger siebenmal täglich eine Diabetes-Diät erhalte. Die Mutter des Klägers sei zwar mit der Aufgabe der Kontrolle und Überwachung ihres Sohnes stark überlastet aus der Sorge heraus, daß gravierende Gesundheitsstörungen in Anbetracht des schwankenden Blutzuckerspiegels auftreten könnten; sie kontrolliere sehr oft, auch nachts; all dies seien jedoch Maßnahmen, die im Rahmen der Pflegeversicherung nicht gewertet werden könnten. Ein Hilfebedarf bei den Grundverrichtungen bestehe nicht.
Gestützt hierauf lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers durch Bescheid vom 27.09.1995 ab.
Dagegen legte der Kläger am 27.10.1995 Widerspruch ein. Er trug vor, seine Behinderung mache eine Betreuung rund um die Uhr erforderlich. Neben den erforderlichen Blutzuckermessungen vier- bis sechsmal am Tag müßten morgendliche und abendliche Spritzen gesetzt, sieben Mahlzeiten pro Tag zubereitet und zwei- bis dreimal der Urin kontrolliert werden. Wegen der starken Zuckerschwankungen seien auch nächtliche Blutzuckerüberwachungen notwendig, um eine Unterzuckerung zu vermeiden. Beim Spritzen müsse immer einer zugegen sein, da es bei Verwirrtheit durch Unterzuckerung passieren könne, daß zuviel oder zuwenig gespritzt werde. Ähnlich verhalte es sich bei den Blutzuckermessungen, den Mahlzeiten oder auch beim morgendlichen Aufstehen.
Die Beklagte wies den Widerspruch nach Einholung einer ergänzenden Stellungnahme des MDK - Dr. G. - durch Widerspruchsbescheid vom 17.10.1996 zurück: Die allgemeine Beaufsichtigung, die über die Sicherung der im Gesetz aufgezählten Verrichtungen (auch zur Vermeidung von Eigen- und Fremdgefährdung bei diesen) hinausgehe, sei bei der Bemessung des Hilfebedarfs nicht zu berücksichtigen. Blutzuckermessungen und Urinkontrollen gehörten in den Bereich der Behandlungspflege, die bei der Feststellung von Pflegebedürftigkeit nicht berücksichtigt werden dürfe.
Dagegen hat der Kläger am 20.11.1996 Klage erhoben. Er hat als täglichen Pflegebedarf angegeben:
- für Blutzuckermessungen, Urinkontrollen, Insulinspritzen und Blutzuckertagebucheintragungen 55 Minuten
- für Abwiegen, Zubereiten, Zusammenstellen der Mahlzeiten (Broteinheiten) 70 Minuten
- für den Einkauf der speziellen Diät 20 Minuten
- insgesamt 145 Minuten.
Hinzu kämen ärztliche Besuche, Medikamentenbesorgung und monatliche Kontrolluntersuchungen in der Diabetes-Ambulanz D. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, das Messen und Spritzen gehöre zur Ernährung, das Zubereiten der Broteinheiten zum mundgerechten Zubereiten der Nahrung. Im übrigen hat er auf ein Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 27.06.1996 - S 23 P 63/95 - verwiesen, durch das einem zuckerkranken Kind ein Pflegegeld zuerkannt worden sei.
Der Kläger hat beantragt,
Die Beklagte hat beantragt,
Sie hat ausgeführt, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 27.06.1996 gehe an den Realitäten des Pflegeversicherungsgesetzes vorbei. Entgegen der in dieser Entscheidung vertretenen Auffassung werde das Setzen von Insulinspritzen in § 14 Abs. 4 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) nicht genannt und gehöre deshalb nicht zu den bei der Festsetzung der Pflegebedürftigkeit zu berücksichtigenden Verrichtungen; vielmehr gehöre dies zur Behandlungspflege, für die die gesetzliche Krankenversicherung zuständig sei. Die Zubereitung der Diät sei als "Kochen" zu bewerten und gehöre zur hauswirtschaftlichen Versorgung.
Durch Urteil vom 27.02.1997 hat das Sozialgericht Dortmund die Klage abgewiesen: Bei großzügiger Betrachtungsweise könne allenfalls ein Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege für die Verrichtung "mundgerechtes Zubereiten" der Nahrung angenommen werden, soweit dem Kläger im Bereich der unmittelbaren Vorbereitung der Nahrungsaufnahme geholfen werden müsse. Hier komme das Schmieren von Broten und die portionsgerechte Vorgabe mit Abwiegen der Diätportionen in Betracht. Allerdings sei auch zu berücksichtigen, daß der Kläger mit zunehmendem Alter diese Verrichtungen selbst übernehmen könne. Die täglich notwendigen Blutzuckerkontrollen mit Führen eines Blutzuckertagebuches und die Insulinspritzen könnten nicht der Verrichtung "Aufnahme der Nahrung" zugeordnet werden. Denn es handele s...