Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen der Bewilligung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung
Orientierungssatz
1. Nach § 21 Abs. 5 SGB 2 erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, einen Mehrbedarf in angemessener Höhe.
2. Zur Konkretisierung der Angemessenheit des Mehrbedarfs sind die vom Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge für die Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe entwickelten Empfehlungen heranzuziehen.
3. Bei dem Krankheitsbild Hyperlipidämie besteht kein erhöhter Ernährungsaufwand. Eine Ernährung mit Vollkost ist ausreichend. Der Aufwand dafür kann durch den in der Regelleistung enthaltenen Anteil für Lebensmittelkosten gedeckt werden.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 18.02.2008 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist ein Anspruch der Klägerin auf Bewilligung eines Mehrbedarfes wegen kostenaufwändiger Ernährung nach § 21 Abs. 5 Zweites Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II).
Die am 00.00.1952 geborene Klägerin bezieht seit dem 01.01.2005 Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II.
Am 26.09.2005 beantragte sie die Gewährung eines Mehrbedarfes wegen kostenaufwändiger Ernährung unter Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung des Dr. L, in der angegeben wird, die Klägerin sei an Hyperlipidämie bei Adipositas erkrankt und bedürfe lipidsenkender Reduktionskost.
Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 30.09.2005 ab. Gegen diese Entscheidung legte die Klägerin am 03.10.2005 Widerspruch ein mit der Begründung, ihr sei es nicht möglich, ohne teure Diät ihre Blutfettwerte zu senken.
Die Beklagte holte eine amtsärztliche Stellungnahme des Internisten Dr. T vom 17.11.2005 ein, in der angegeben wird, die angestrebte Verminderung der Blutfettwerte erfordere die Auswahl fettarmer Nahrungsmittel sowie die Reduzierung der Menge aufgenommener Nahrung. Mehrkosten seien hiermit nicht verbunden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19.12.2005 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück mit der Begründung, nach dem Stand der Erkenntnisse zur Behandlung des bei der Klägerin bestehenden Krankheitsbildes sei eine gezielte Nahrungsauswahl erforderlich. Mehrkosten entstünden durch diese Diätform nicht.
Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin am 22.01.2006 Klage erhoben, diese jedoch weder begründet noch die vom Sozialgericht erbetene Schweigepflichtentbindung ihrer behandelnden Ärzte eingereicht.
Mit Urteil vom 18.02.2008, auf dessen Begründung Bezug genommen wird, hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Gegen das ihr am 13.03.2008 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 13.04.2008 Berufung eingelegt. Der Senat hat Berichte der die Klägerin behandelnden Ärzte eingeholt.
Im Bericht vom 21.10.2008 gibt der Facharzt für Innere Medizin Dr. T1 an, die Klägerin leide an einem chronischen Schmerzsyndrom, einem chronischen Reizdarmsyndrom, einer schadstoffbedingten Polyneuropathie, schmerzbedingten Schlafstörungen und Asthma. Zur Behandlung dieser vielfältigen Erkrankungen werde eine Ernährung mit kohlenhydratreicher und naturbelassener Kost empfohlen. Diese verursache Mehrkosten, die nicht sicher geschätzt werden könnten. Der beigefügte Befundbericht des Dr. I vom 29.02.2008
enthält die Diagnose eines Fybromyalgiesyndromes bei der Klägerin, der des Dr. S vom 20.03.2000 die einer schadstoffbedingten Polyneuropathie.
Im Behandlungsbericht vom 22.10.2008 gibt der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. I an, die Klägerin leide an einer Fibromyalgie, einem Reizdarm mit Durchfällen und einer somatoformen Schmerzstörung. Die Klägerin bedürfe einer an der traditionellen chinesischen Medizin orientierten Grundernährung, westlicher Kost als reizarmer Schonkost und spezieller Kräuterzubereitungen. Ernährungsbedingte Mehrkosten entstünden hierbei im Umfang von 140,00 EUR für chinesische Kräuter und von weiteren 20,00 EUR mtl. für reizarme Schonkost.
Die im Berufungsverfahren für die Klägerin tätige Prozessbevollmächtigte hat angeregt, den behandelnden Ärzten der Klägerin jeweils die Erstellung eines monatlichen Ernährungsplanes mit Kostenangabe aufzugeben.
Der Senat hat ein internistisch-ernährungsmedizinisches Gutachten des Dr. L1 vom 20.04.2010 eingeholt. Dieser hat nach Untersuchung der Klägerin am 15.04.2010 ein medizinisch bedenkliches Übergewicht Grad I, eine Refluxkrankheit und eine Fettstoffwechselstörung diagnostiziert. Die Klägerin müsse eine gewichtsreduzierende Kost essen, die sich, insbesondere saisonal angepasst, über die Zufuhr von Gemüse und proteinhaltige Produkte (Milchprodukte, Eier, Fleischprodukte) zusammenstellen lasse. Mehrkosten entstünden hierdurch nicht.
Auf die Ladung zur mündlichen Verhandlung am 04.10.2010 hat die Klägerin mit Schreiben vom 30.09.2010 die Aufhebung des Termins und Aussetzung des Verfahrens zwecks Erarbeitung...