Nachgehend

BSG (Beschluss vom 01.09.2022; Aktenzeichen B 9 SB 1/22 B)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 02.10.2018 geändert.

Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 02.05.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.05.2014 und Klageabweisung im Übrigen verpflichtet, einen Gesamt-GdB von 30 seit dem 22.02.2013 festzustellen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt 1/3 der außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe des beim Kläger festzustellenden Grades der Behinderung (GdB).

Der 1977 in Kasachstan geborene Kläger ist gelernter Elektromechaniker. 1996 siedelte er in die Bundesrepublik Deutschland über. Er ist verheiratet und hat vier Kinder, mit denen er ein im Eigentum seines Schwiegervaters (Herrn H, im Folgenden: H) stehendes Haus bewohnt. Als Produktionshelfer und Lagerist arbeitet er in Vollzeit im Zwei-Schicht-System bei der Firma U in A. Der Kläger leidet an einer mit einer Hepatitis-B-Erkrankung in Zusammenhang stehenden Leistungsschwäche, die sich u.a. in schneller Erschöpfbarkeit und Herzrasen, Schweißausbrüchen, Zittern und Übelkeit bei Belastung äußert. Ein Antigen-Nachweis der Leber-Virus-Infektion erfolgte im Februar 2001.

Am 22.02.2013 beantragte der Kläger bei dem Beklagten die Feststellung einer Behinderung wegen "chronischer Hepatitis B und Leistungsschwäche mit Schweißausbrüchen und Erbrechen".

Der Beklagte zog Befundberichte bei und beauftragte eine versorgungsmedizinische Stellungnahme. Auf dieser Grundlage stellte er mit Bescheid vom 02.05.2013 anknüpfend an die aus der chronischen Hepatitis B resultierenden Beeinträchtigungen einen GdB von 20 fest.

Mit seinem hiergegen gerichteten Widerspruch trug der Kläger vor, sein behandelnder Hausarzt - der Internist Herr B - bestätige eine höher zu bewertende Hepatitis im Stadium entzündlicher Aktivität (vgl. Attest vom 28.02.2013).

Der Beklagte holte darauf weitere Befundberichte ein: Der Allgemeinmediziner Dr. T bescheinigte (mit Attest vom 27.02.2021), dass bei dem Kläger seit seinem 14. Lebensjahr jede körperliche Anstrengung eine Reaktion mit Übelkeit und Erbrechen, Zittern und Kollaps hervorrufe. Ursache hierfür sei eine inadäquate Laktatbildung, die rasch zur Azidose führe und vermutlich auf die Lebererkrankung zurückzuführen sei. Der Kardiologe Dr. G schloss mit Schreiben vom 03.12.2013 eine kardiale Ursache der geklagten Symptome Herzrasen, Übelkeit und Schwäche aus; in der Ergometrie sei der Kläger bis 150 W normal belastbar. Der Arzt B gab zugleich (mit Bericht vom 17.02.2014) an, der Kläger lehne eine weitere Diagnostik und eine Hepatitis-Therapie sowie eine Mitbehandlung in der hepatologischen Ambulanz ab. Die Sonographie des Abdomens (vom 10.02.2014) habe einen unspezifischen Leberparenchymschaden bei bekannter chronischer Hepatitis B ergeben.

Die Bezirksregierung Münster wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 15.05.2014 als unbegründet zurück. Aus den zusätzlich beigezogenen Krankenunterlagen lasse sich keine abweichende Beurteilung rechtfertigen.

Mit seiner hiergegen am 23.05.2014 vor dem Sozialgericht Detmold erhobenen Klage hat der Kläger sein Anliegen weiter verfolgt. Er hat geltend gemacht, seine Leistungsschwäche sei mit einem Einzel-GdB von 60 und die aus seiner Sicht nachgewiesene entzündlich aktive Hepatitis mit einem GdB von 30 zu bemessen. Ergänzend hat er auf eine selbst verfasste Zusammenstellung leberspezifischer Messwerte Bezug genommen. Eine Überweisung an einen Kardiologen mache keinen Sinn. Es sei nachgewiesen, dass seine Leistungsschwäche gerade nicht auf eine Herz-Kreislaufsymptomatik, sondern allein auf eine inadäquate Laktatbildung (Laktatazidose) zurückzuführen sei. Eine antivirale Behandlung komme für ihn nicht in Betracht, weil diese die Azidose und damit die Leistungsschwäche verstärken könne. Es bestehe eine familiäre Disposition für hyperhidroses Erbrechen bei körperlicher Belastung. Auch sei er bereits in der Schule vom Sportunterricht befreit und bei der Musterung für den Wehrdienst als untauglich eingestuft worden.

Der Kläger hat sinngemäß beantragt,

den Bescheid vom 02.05.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.05.2014 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, bei ihm für die Zeit ab Antragstellung (22.02.2013) einen Grad der Behinderung von mindestens 50 festzustellen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten, die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig ergangen. Für die vom Kläger geltend gemachte höhere Einstufung fände sich kein Anhalt. Die behauptete entzündliche Aktivität sei nicht durch Serumwerte im Verlauf belegt.

Das Sozialgericht hat Befundberichte bei den behandelnden Ärzten des Klägers eingeholt. Der Internist B hat dem Kläger erneut (mit Schreiben vom 18.02.2015) eine chronische Hep...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge