Entscheidungsstichwort (Thema)
sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Erstattung von Kosten im Vorverfahren. Rechtsanwaltsvergütung. anwaltliche Tätigkeit in sozialrechtlichen Angelegenheiten. Betragsrahmengebühr. schwierige Tätigkeit. Ansatz der Mittelgebühr. Überschreitung. Entstehen der Erledigungsgebühr
Orientierungssatz
1. Die anwaltliche Tätigkeit im sozialrechtlichen Widerspruchsverfahren ist grundsätzlich - wegen dem für dieses Rechtsgebiet benötigten Fachwissens - als schwierig einzustufen, was den Ansatz der Mittelgebühr in Höhe von 280 Euro gem §§ 3 Abs 2, 14 Abs 1 RVG iVm Nr 2400 RVG-VV rechtfertigt. Eine Überschreitung dieser Gebühr um 13,75% ist nicht unbillig.
2. Durch die hauptsächlich für das Widerspruchsverfahren bedeutsamen besonderen Bemühungen im Kündigungsschutzprozess, deren Ergebnis der Rechtsanwalt unverzüglich in das Widerspruchsverfahren eingeführt hat, hat sich dieser die zusätzliche Erledigungsgebühr verdient, die nach Maßgabe des § 63 SGB 10 zu erstatten ist.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 18.05.2007 geändert.
Die Beklagte wird unter Abänderung der Bescheide vom 01.07. und 04.08.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.09.2005 verurteilt, die erstattungsfähigen Kosten des Widerspruchsverfahrens auf 726,16 Euro festzusetzen und an den Kläger weitere Euro 415,86 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger 4/5 seiner außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Höhe der erstattungsfähigen Kosten eines Widerspruchsverfahrens.
Der 1969 geborene Kläger war zuletzt als Lkw-Fahrer und Rangierer beschäftigt. Am 19.7.2004 kündigte sein Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristlos, weil der Kläger während des Dienstes im alkoholisierten Zustand einen Unfall verschuldet habe. Der Kläger erhob Kündigungsschutzklage, meldete sich arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Die Beklagte stellte eine zwölfwöchige Sperrzeit fest, weil der Kläger durch arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben und dadurch grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt habe (Bescheid vom 5.11.2004). Dagegen erhob der Kläger durch seinen jetzigen Prozessbevollmächtigten Widerspruch und wies darauf hin, dass das arbeitsgerichtliche Verfahren noch nicht abgeschlossen sei. Es stehe keinesfalls fest, dass er den Arbeitsplatz verloren habe, weil er alkoholisiert am Arbeitsplatz einen Unfall verursacht habe (Widerspruch vom 1.12.2004). Im März 2005 übersandte der Prozessbevollmächtigte das Protokoll der Öffentlichen Sitzung des Arbeitsgerichts C1 vom 4.3.2005 mit der Bitte, den Sperrzeitbescheid aufzuheben. Im dortigen Termin, in dem der Kläger ebenfalls durch seinen jetzigen Prozessbevollmächtigten vertreten war, hatten die Parteien einen Vergleich geschlossen, worin u.a. geregelt ist, dass die Beklagte den Vorwurf der Schadensverursachung durch den Kläger im alkoholisierten Zustand während der Arbeitszeit fallen lässt. Die Beklagte hob den Sperrzeitbescheid vom 5.11.2004 auf und erklärte sich bereit, die im Widerspruchsverfahren entstandenen Kosten auf Antrag zu erstatten, soweit sie notwendig waren und nachgewiesen sind. Dies gelte auch für die anwaltlichen Gebühren und Auslagen (Bescheid vom 20.4.2005).
Der Kläger machte die ihm durch die Einschaltung seines Rechtsanwalts entstandenen Kosten des Widerspruchsverfahrens wie folgt geltend:
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1. Geschäftsgebühr Nr 2400 VV RVG |
318,50 Euro |
2.Erledigungsgebühr Nr 1002 VV RVG |
367,50 Euro |
3.Post- und Telekommunikationsgebühr Nr 7002 VV RVG |
20,00 Euro |
Zwischensumme: |
706,00 Euro |
16 % Mehrwertsteuer Nr 7008 VV RVG |
112,96 Euro |
zu zahlender Betrag: |
818,96 Euro |
Die Beklagte setzte die zu erstattenden Kosten auf 301,60 Euro fest (240,00 Euro nach "Nr. 2500 VV" sowie 20,00 Euro nach Nr 7002 VV zuzüglich Mehrwertsteuer; Bescheid vom 1.7.2005). Zur Begründung seines Widerspruchs trug der Kläger vor, auch eine Erledigungsgebühr sei entstanden, da sich die Angelegenheit durch die anwaltliche Tätigkeit erledigt habe. Mit ergänzender Kostennote machte er zusätzlich eine Dokumentenpauschale von 18,00 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer geltend (Gesamtbetrag nun 839,84 Euro). Die Beklagte erstattete weitere 8,70 Euro (Bescheid vom 4.8.2005) und wies den Widerspruch im Übrigen zurück: Eine besondere, über das übliche Maß hinausgehende anwaltliche Tätigkeit könne nicht festgestellt werden (Widerspruchsbescheid vom 22.9.2005).
Die Klage auf Erstattung weiterer 517,36 Euro hat das SG die Klage abgewiesen (Urteil vom 18.5.2007.
Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger den Erstattungsanspruch weiter und meint, schon wegen der schriftlichen Begründung des Widerspruchs sei die Erledigungsgebühr entstanden. Dies gelte auch unter Berücksichtigung der neuen Rechtsprechung des 9. Senats des Bundessozialgerichts (BSG), d...