Entscheidungsstichwort (Thema)
Bundesanstalt für Arbeit. Anspruch auf Erstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge. Unzulässigkeit der Einrede der Verjährung bei unrichtiger oder unvollständiger Auskunft des Versicherungsträgers
Orientierungssatz
Die Verjährungseinrede ist unter dem Gesichtspunkt des "venire contra factum proprium", also des aus § 242 BGB abzuleitenden Verbotes, sich widersprüchlich zu verhalten, von vornherein unzulässig, wenn der Versicherungsträger selbst unrichtige oder unvollständige Auskunft gegeben hatte bzw sich auf sonstige Weise zu eigenem vorhergehenden Verhalten in Widerspruch setzt (hier: unterlassener Hinweis des Arbeitsamtes auf die Erstattung zu Unrecht geleisteter Beiträge zur Arbeitslosenversicherung nach Ablehnung eines Antrags auf Bewilligung von Arbeitslosengeld wegen nicht bestehender Versicherungspflicht)(vgl BSG vom 29.7.2003 - B 12 AL 1/02 R = SozR 4-2400 § 27 Nr 1).
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Erstattung der von der Klägerin als Arbeitnehmerin entrichteten Beiträge zur Arbeitslosenversicherung für die Zeit vom 01.01.1994 bis 31.12.1996.
Die ... 1944 geborene Klägerin war von Oktober 1993 bis September 1998 Geschäftsführerin der CVG C - und V-GmbH, an der sie zu 40 % beteiligt war.
Im Oktober 1998 meldete sie sich arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 28.10.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.12.1998 wegen nicht erfüllter Anwartschaftszeit ab. Sie vertrat die Ansicht, die Tätigkeit als Geschäftsführerin der CVG C- und V-GmbH sei keine versicherungspflichtige Beschäftigung im Sinne der §§ 25, 123 Sozialgesetzbuch 3. Buch - SGB III - gewesen. Der Widerspruchsbescheid enthielt im Anschluss an die Rechtsbehelfsbelehrung folgenden Hinweis: "Wegen der Erstattung der zu Unrecht geleisteten Beiträge wenden Sie sich bitte an ihre zuständige Krankenkasse als Einzugsstelle."
Gegen die Leistungsablehnung hatte die Klägerin vor dem Sozialgericht in Duisburg - Az. S 1(7) AL 11/99 - Klage erhoben. Im Rahmen dieses Klageverfahrens wies die Beklagte mit Schriftsatz vom 01.08.2001 darauf hin, dass bei einem Erstattungsantrag bezüglich der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung für den Zeitraum bis 31.12.1996 die Einrede der Verjährung zu erheben wäre gem. § 27 Abs. 2 Sozialgesetzbuch 4. Buch - SGB IV. Die Klägerin nahm die Klage mit Schriftsatz vom 19.09.2001 zurück.
Im August 2002 beantragte die Klägerin bei der Barmer-Ersatzkasse die Erstattung der zu Unrecht gezahlten Beiträge zur Arbeitslosenversicherung, die den Antrag an die Beklagte weiterleitete. Mit Bescheid vom 15. Januar 2003 stellte die Beklagte fest, dass die zur CVG-C-und V-GmbH entrichteten Beiträge zur Arbeitslosenversicherung in voller Höhe (6.349,62 DM) zu Unrecht entrichtet worden seien. Ausgehend von einem Erstattungsantrag am 14.08.2002 sei der Erstattungsanspruch für die vor dem 01. Januar 1998 entrichteten Beiträge für die Zeit vom 01.10.1993 bis 31.12.1997 in Höhe von 5.156,97 DM verjährt.
Ausgezahlt wurde ein Betrag in Höhe von 1.192,65 DM. Ein gleichlautender Bescheid vom selben Datum hinsichtlich der Arbeitgeberbeiträge zur Arbeitslosenversicherung ging an die CVG-C- und V-GmbH.
Die Klägerin legte gegen den Bescheid vom 15.01.2003 Widerspruch ein, mit dem sie die Auffassung vertrat, Verjährung sei für die Zeit bis 31.12.1997 nicht eingetreten, da sie durchgehend ihre Ansprüche dem Arbeitsamt gegenüber geltend gemacht habe.
Die Beklagte erließ unter dem 28.04.2003 einen Änderungsbescheid, mit dem sie zusätzlich die für das Jahr 1997 entrichteten Beiträge in Höhe von 598,21 € erstattete. Den Widerspruch im Übrigen wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 22.08.2003 unter Berufung auf § 27 Abs. 2 SGB IV zurück. Ein Erstattungsanspruch verjähre in 4 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Beiträge entrichtet worden seien. Nach den Weisungen der Bundesanstalt werde die Einrede der Verjährung nach pflichtgemäßem Ermessen nur in Fällen einer besonderen Härte nicht erhoben, und zwar dann, wenn die unrechtmäßige Beitragszahlung durch ein fehlerhaftes Handeln der Bundesanstalt, der Einzugsstelle oder eines Trägers der Rentenversicherung nachweislich verursacht worden sei. Eine solche Verursachung liege nicht vor. Nach Angaben des früheren Arbeitgebers habe zwar die LVA Rheinland-Pfalz im Juni 1999 eine Betriebsprüfung durchgeführt, jedoch zur Frage der Versicherungspflicht bzw. Arbeitnehmereigenschaft keinerlei Feststellung getroffen. Der Antrag auf Beitragserstattung sei am 13.08.2002 bei der Barmer-Ersatzkasse eingegangen. Allerdings ergebe sich aus dem anhängig gewesenen Verfahren vor dem Sozialgericht Duisburg, dass bereits im Jahre 1991 (gemeint ist wohl 2001) die Beitragserstattung geltend gemacht worden sei. Demnach unterlägen die Beiträge bis 1996 der Verjährung. Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände sei es nicht rechtsmissbräuchlich, wenn die Einrede ...