Verfahrensgang
SG Münster (Gerichtsbescheid vom 23.04.2001; Aktenzeichen S 11 SB 19/00) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Münster vom 23.04.2001 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht Münster zurückverwiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Sozialgericht vorbehalten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die 1933 geborene Klägerin begehrt die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs „G.” (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr = erhebliche Gehbehinderung).
Mit Bescheid vom 29.11.1978 hat der Beklagte als Behinderungen: „verbildende Veränderungen der Wirbelsäule; Fehlsteuerung des unwillkürlichen Nervensystems mit Kreislaufregulationsstörungen; chronische Bronchitis” mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 60 v. H. festgestellt. Der Änderungsantrag vom 27.07.1992 blieb erfolglos. Den weiteren Änderungsantrag vom 20.04.1999 auf Feststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB) sowie der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs „G.” hat der Beklagte mit Bescheid vom 26.07.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.01.2000 abgelehnt.
Mit der hiergegen erhobenen Klage hat die Klägerin vorgetragen, aufgrund der Auswirkungen ihrer Erkrankungen im Wirbelsäulen- und Beinbereich in ihrer Gehfähigkeit erheblich eingeschränkt zu sein. Ein erheblicher Teil der Wirbelsäulenerkrankungen werde durch Veränderungen im HWS-Bereich hervorgerufen. Die Lendenwirbelsäule sei über das altersübliche Maß hinaus verändert. Röntgenologisch seien deutliche degenerative Veränderungen und Gefügestörungen im Sinn einer Retrolisthese und Spondylolisthese ohne Spondolyse sowie eine mäßige Gonarthosis deformans beidseits festgestellt worden. Darüber hinaus bestehe ein postthrombotisches Syndrom bei Zustand nach Stamm- und Astvaricosis rechts. Sie leide unter Schmerzen. Vor allem das rechte Bein neige zu Schwellungen. Hier trete häufiger ein taubes Gefühl auf. Längeres Stehen sei nicht möglich. Beschwerde frei könne sie nur kurze Strecken zurücklegen.
Die Klägerin hat nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, unter Aufhebung des Bescheides vom 26.07.1999, in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.01.00 die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen „G.” anzuerkennen.
Der Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat sich auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides bezogen.
Das Sozialgericht (SG) hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens von Dr. E. Leitender Arzt der orthopädischen Abteilung des St. E. -H. in I. sowie von Prof. Dr. W. Chefarzt der Chirurgischen Klinik I des C. in M. Den Sachverständigen hat das SG folgende Beweisfragen gestellt:
- Ist die Klägerin erheblich gehbehindert im Sinne von Nr. 30 „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im soz. Entschädigungsrecht und nach dem SchwbG”?
- Wenn ja, ist insoweit im Vergleich zu den Befunden, die der gutachtlichen Stellungnahme vom 19.11.1978 (Bl. 42 VA) zugrundelagen, eine wesentliche Verschlimmerung eingetreten?
Der Sachverständige E. hat im Gutachten vom 27.06.2000 ausgeführt:
- „Nach heutiger klinischer und röntgenologischer Untersuchung bedingen die Behinderungen des Haltungs- und Bewegungsapparates keine erhebliche Gehbehinderung im Sinne von Nummer 30 der AHP 1996; die Voraussetzungen zur Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches „G.” liegen bei der Klägerin nicht vor.
- Im Vergleich zu den Befunden, die der gutachterlichen Stellungnahme vom 19.11.1978 (Blatt 42 VA) zugrunde lagen, ist nach heutiger klinischer und röntgenologischer Untersuchung im Bereich des Haltungs- und Bewegungsapparates keine wesentliche Verschlimmerung eingetreten.”
Der Sachverständige W. hat die Beweisfragen im Gutachten vom 05.01.2001 wie folgt beantwortet:
„Eine erhebliche Gehbehinderung im Sinne von Nr. 30 „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht nach dem SchwbG” liegt bei der Klägerin nicht vor.”
Mit Schreiben vom 28.03.2001 hat das SG die Klägerin zur Absicht, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden, angehört und die Klage mit Gerichtsbescheid vom 23.04.2001 abgewiesen.
Tatbestand und Entscheidungsgründe lauten:
„Tatbestand
Streitig ist ein Anspruch der Klägerin auf Zuerkennung des Merkmales „G.”.
Bei der 1933 geborenen Klägerin sind bei einem GdB von 60 v. H. als Behinderungen nach dem SchwbG festgestellt:
Verbildende Veränderungen der Wirbelsäule Fehlsteuerung des unwillkürlichen Nervensystems mit Kreislaufregulationsstörungen
Chronische Bronchitis
Kniegelenksarthrose links. Krampfaderleiden.
Am 21.04.1999 beantragte sie eine Neufeststellung. Der Beklagte zog Berichte der behandelnden Ärzte bei, ließ diese durch den versorgungsärztlichen Dienst auswerten und lehnte mit Bescheid vom 26.07.1999 die Feststellung eines höheren GdB...