Entscheidungsstichwort (Thema)
Kurzarbeitergeld. erheblicher Arbeitsausfall. unabwendbares Ereignis. vorübergehender Arbeitsausfall. Liquiditätsengpass. Kreditboykott. unübliches bankgeschäftstypisches Gebaren. dauerhaftes strukturelles Geschäftsproblem
Leitsatz (amtlich)
Ein dauerndes, geschäftsfelduntypisches Marktverhalten einer ganzen Branche zum Nachteil eines einzelnen Unternehmens (hier: Boykott durch sämtliche Banken, die trotz guter Bonität keinen Kredit vergeben) begründet als dauerhaftes strukturelles Geschäftsproblem des Unternehmens kein nur vorübergehendes unabwendbares Ereignis iSd § 170 Abs 1 S 1 Nr 1 Alt 2, Nr 2 SGB III idF ab 1.1.2009 (heute: § 96 Abs 1 S 1 Nr 1 Alt 2, Nr 2 SGB III). Ein Anspruch auf Kurzarbeitergeld besteht deshalb nicht.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 31.01.2014 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Im Streit steht die Gewährung von Kurzarbeitergeld (Kug) für die Monate Mai bis August und Oktober 2010.
Der klagende Verein verwaltet und vermarktet treuhänderisch die Immobilien, die sich im Eigentum der N-M Partei Deutschlands (N) befinden. Das verwaltete Immobilienvermögen der N bestand im Jahr 2010 aus folgenden Objekten: Geschäfts- und Wohngebäude L-straße 00 in H, Geschäfts- und Wohngebäude C Straße 00 in H, Geschäfts- und Wohngebäude S-straße 00 in C, Geschäfts- und Wohngebäude C-weg 00 in T, Geschäfts- und Wohngebäude G-Straße 00 in E, Dienstleistungszentrum "I" (bestehend aus Geschäfts- und Wohngebäuden) in H, Grundstück X 00 in B und Grundstück Im X 00 in T. Darüber hinaus führte der Kläger im Fremdauftrag die Objektbetreuung für die Wohnhäuser J-straße 00 und M Str. 00 in F durch.
Der Kläger beschäftigte im Jahr 2010 zunächst elf Arbeitnehmer. Deren regelmäßige betriebsübliche wöchentliche Arbeitszeit betrug 40 Stunden. Unter ihnen waren drei Objektbetreuer, namentlich T (zuständig für die Objekte L-straße, C Straße, J-straße und das Dienstleistungszentrum "I"), G (zuständig für die Objekte G-Straße, C-weg, M Straße und Im X) sowie H (zuständig für die Objekte S-straße und X, ferner für die Objektsuche für einen geplanten Zukauf im Raum Hamburg). Außerdem unterhielt der Kläger einen für sämtliche Objekte zuständigen sog. Bautrupp (Bauarbeiter L und G).
Am 25.05.2010 zeigte der Kläger bei der Beklagten einen Arbeitsausfall und die geplante Reduzierung der regelmäßigen betriebsüblichen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden auf null mit Wirkung von Mai 2010 bis voraussichtlich April 2011 an. Beigefügt war eine am 23.04.2010 mit den fünf Arbeitnehmern T, G, H, L und G geschlossene Vereinbarung über die Einführung von Kurzarbeit ab dem 01.05.2010. Zu den Ursachen des Arbeitsausfalles wurde ausgeführt, man sei von der größten internationalen Wirtschafts- und Finanzkrise besonders betroffen. Insbesondere seien zurzeit Büroflächen sehr schwer zu vermieten; gewerblich nutzbare Immobilien seien insbesondere am Standort H schwer zu veräußern. Die dadurch verursachte Einschränkung der Liquidität, die durch einen Bankenboykott gegen die N und den Verein selbst verstärkt werde, zwinge dazu, einen geplanten Zukauf in Hamburg zu verschieben; der dafür bereits tätige Objektbetreuer sei bis auf Weiteres untätig. Auch die anderen beiden Objektbetreuer seien derzeit zu maximal 50 % ausgelastet. Aufgrund der angespannten Liquiditätslage müssten auch geplante Sanierungsmaßnahmen gestreckt werden; die mit Instandhaltungsarbeiten betrauten Mitarbeiter seien gleichfalls zu maximal 50 % ausgelastet. Gleichwohl wolle man auf die eingearbeiteten und erfahrenen Mitarbeiter bei den intensiven Bemühungen um Vermarktung der Liegenschaften und in Erwartung einer Besserung der wirtschaftlichen Situation nicht verzichten.
Am 04.06.2010 (mit hierzu erfolgter Korrektur vom 10.06.2010) beantragte der Kläger bei der Beklagten Kug sowie die pauschalierte Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge für die Bezieher von Kug für fünf Kurzarbeiter im Abrechnungsmonat Mai 2010 in Höhe von insgesamt 2.436,03 EUR.
Die Sachbearbeiterin der Beklagten bejahte nach Verhandlung mit dem Vertreter des Klägers mit interner Verfügung vom 10.06.2010 zunächst das Vorliegen der Kug-Voraussetzungen. Nach weiterer interner Abstimmung lehnte es die Beklagte jedoch mit Bescheid vom 15.06.2010 ab, der Anzeige vom 25.05.2010 zu entsprechen. Die vorgebrachten Ausfallgründe deuteten weder auf wirtschaftliche Gründe hin, noch liege ein unabwendbares Ereignis vor. Hauptgrund für den vorhandenen Arbeitsmangel sei nach eigener Angabe die bereits eingeschränkte Liquidität des Klägers, die durch einen Bankenboykott noch verstärkt worden sei. Die Ursachen für den Nachfragerückgang seien somit nicht auf eine wirtschaftliche Situation zurückzuführen, sondern Folge einer politisch motivierten Krise.
Mit undatiertem, am 22.06.2010 gefertigtem Besc...