Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommens- oder Vermögensberücksichtigung. Geldzufluss aus Erbschaft. Zufluss nach Antragstellung. einmalige Einnahme. Aufteilung auf einen angemessenen Zeitraum. Ermächtigungskonformität des § 2 Abs 4 AlgIIV 2008
Orientierungssatz
1. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Unterscheidung von Einkommen und Vermögen ist im SGB 2 die Antragstellung gem § 37 SGB 2, wobei auf die erste Antragstellung und nicht etwa auf weitere Folgeanträge abzustellen ist (vgl BSG vom 28.10.2009 - B 14 AS 62/08 R).
2. Einkommen iS des § 11 Abs 1 S 1 SGB 2 ist grundsätzlich alles, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält, und Vermögen das, was er vor Antragstellung bereits hatte (vgl BSG vom 30.7.2008 - B 14 AS 26/07 R = SozR 4-4200 § 11 Nr 17, B 14/7b AS 12/07 R = DVP 2010, 128 und B 14 AS 43/07 R sowie BSG vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R = BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15 und B 4 AS 57/07 R = SozR 4-4200 § 11 Nr 16).
3. Ein Geldzufluss aus einer Erbschaft ist - bei Zufluss nach Antragstellung - Einkommen iS des § 11 Abs 1 S 1 SGB 2. Das Vereinnahmen einer Geldzahlung aus einer Erbschaft entspricht bei wertender Betrachtung nicht der Verwertung bereits vorhandenen Vermögens, sondern vielmehr der Realisierung einer Forderung. Bei der Realisierung einer Forderung ist auf den Zeitpunkt des Geldzuflusses abzustellen und nicht auf den des Erwerbs der Forderung (vgl BVerwG vom 18.2.1999 - 5 C 16/98 = NJW 1999, 3210 und BSG vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R aaO und B 4 AS 57/07 R aaO).
4. Es bestehen keine Bedenken gegen eine Verteilung des Geldzuflusses aus einer Erbschaft als einmalige Einnahme auf einen angemessenen Zeitraum gem § 2 Abs 4 AlgIIV 2008 idF vom 17.12.2007. § 2 Abs 4 AlgIIV 2008 in der genannten Fassung ist von der Ermächtigungsgrundlage des § 13 Abs 1 SGB 2 gedeckt.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 05.05.2009 abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der der Klägerin zu 2) aus einer Erbschaft im April 2008 zugeflossene Betrag von 22.650,42 EUR als einer Leistungsbewilligung entgegenstehendes Einkommen zu berücksichtigen oder vielmehr bereits ab Mai 2008 als ein durch Freibeträge geschütztes und damit unverwertbares Vermögen anzusehen ist.
Im September 2005 beantragten die Kläger erstmalig nach vorausgegangenem Bezug von Arbeitslosengeld (Alg) I des Klägers zu 1) Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB II), die ihnen wegen gestiegenen Nebeneinkommens und Wechsels der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft (BG) in unterschiedlicher Höhe bewilligt wurden. Mit Bescheid vom 18.02.2008 wurden für den Monat März 2008 Leistungen in Höhe von 1.521,28 EUR bewilligt. Der letzte vor dem streitigen Zeitraum liegende Fortzahlungsantrag datiert vom 05.03. bzw. 19.03.2008.
Zum 01.04.2008 nahm die Klägerin zu 2) eine unbefristete Vollzeittätigkeit auf, mit der sie monatlich 1.284,00 EUR brutto erzielte. Im November 2007 wurde der Beklagten von einem Herrn T in seiner Eigenschaft als Verwalter einer Wohnungseigentümergemeinschaft mitgeteilt, die Klägerin zu 2) sei Miterbin einer Eigentumswohnung geworden. Ausweislich des notariellen Testaments der Frau T1 vom 22.08.2003 war die Klägerin zu 2) Miterbin zu 1/3. Der Erbfall war am 21.06.2007 eingetreten. Zum Nachlass gehörte ferner das Guthaben eines Girokontos in Höhe von 1.746,50 EUR sowie die sich der auf einem Sparkonto befindliche Betrag von 20,01 EUR. Mit notariellem Vertrag vom 28.03.2008 veräußerte die Erbengemeinschaft die Wohnung zu einem Kaufpreis von 77.000,00 EUR. Am 14.04.2008 wurde dem Girokonto der Klägerin zu 2) ein Betrag von 23.550,42 EUR gutgeschrieben, von dem noch anteilige Erbschaftssteuer in Höhe von 900,00 EUR zu entrichten war, so dass der Betrag von 22.650,42 EUR verblieb.
Auf den Fortzahlungsantrag von März 2008 erließ die Beklagte den an die Klägerin zu 2) gerichteten Bescheid vom 20.03.2008, mit dem sie den Klägern für die Monate April und Mai 2008 Leistungen in Höhe von jeweils 1.521,28 EUR bewilligte, insgesamt also 3.042,56 EUR. Die Bewilligung erfolgte als Darlehen, da den Klägern für den Bewilligungszeitraum voraussichtlich Einnahmen zufließen würden.
Gegen diesen Bescheid richtete sich der Widerspruch vom 10.04.2008, der nicht begründet wurde.
Mit weiterem Bescheid vom 20.05.2008 forderte die Beklagte die mit Bescheid vom 20.03.2008 darlehensweise bewilligte Leistung in Höhe von 2.949,76 EUR zurück. Der Anspruch auf Alg II bestehe nicht mehr aufgrund einer einmaligen Einnahme (Erbe). Das Erbe sei am 14.04.2008 zugeflossen und von diesem Zeitpunkt an auf einen angemessenen Zeitraum anzurechnen. Dieser solle 12 Monate nicht übersteigen. Das Erbe habe 22.650,42 EUR betragen, der errechnete Bedarf habe zuletzt bei 780,00 EUR gelegen...