Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Vermögensberücksichtigung. selbst genutztes Hausgrundstück. Einfamilienhaus mit Einliegerwohnung. unangemessene Größe unter Einbeziehung der vermieteten Einliegerwohnung. Verwertbarkeit. keine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit
Orientierungssatz
1. Bei der Prüfung, ob es sich bei einem selbst genutzten Hausgrundstück um Schonvermögen gem § 12 Abs 3 S 1 Nr 4 SGB 2 handelt, ist bei der Ermittlung der Gesamtwohnfläche eines Einfamilienhauses auch die Wohnfläche der vermieteten Einliegerwohnung zu berücksichtigen. Für Zwei- oder Mehrfamilienhäuser mag anderes gelten. Ob das Hausgrundstück teilbar ist, ist keine Frage der Angemessenheit der Größe des Hausgrundstücks, sondern erst bei der Verwertbarkeit eines unangemessenen Hausgrundstücks als eine Form der möglichen Verwertung zu berücksichtigen.
2. Ein Wertverlust von 20-30 % spricht bei einem Hausgrundstück noch nicht für eine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit iS des § 12 Abs 3 S 1 Nr 6 SGB 2 (Anschluss an LSG Essen vom 1.6.2010 - L 6 AS 15/09).
3. Die mit der Vermarktungsdauer verbundene Prognose im Fall der Verwertung von Immobilien ist nicht notwendig auf die Dauer von 6 Monaten begrenzt. Der Notwendigkeit, die Vermarktungsdauer zu strecken, um einen noch angemessenen Verkaufserlös zu erzielen, kann durch Gewährung eines Darlehens nach § 9 Abs 4 SGB 2 aF bzw § 23 Abs 5 SGB 2 aF grundsätzlich Rechnung getragen werden (Anschluss an LSG Essen vom 1.6.2010 - L 6 AS 15/09).
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Kläger wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Münster vom 22.08.2007 geändert. Der Bescheid des Beklagten vom 29.07.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.10.2005 wird abgeändert. Der Beklagte wird verurteilt, den Klägern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen für die Zeit vom 01.08.2005 bis 31.03.2006 als Darlehen zu gewähren.
Soweit die Leistungen als Zuschuss begehrt werden, wird die Klage abgewiesen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger in beiden Rechtszügen zu 1/3.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten zuletzt noch um die Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) für die Zeit vom 01.04.2005 bis 31.07.2005 sowie für die Zeit ab 01.08.2005, insbesondere ob die Leistungen wegen vorrangigen Einsatzes von (Grund-)Vermögen der Kläger als Zuschuss oder Darlehen zu gewähren sind und ob eine darlehensweise Gewährung von der Bestellung einer Grundschuld abhängig gemacht werden kann.
Die Kläger zu 1) und 2) sind Eigentümer eines Einfamilienhauses mit Einliegerwohnung zu je 1/2 in der Gemarkung H, Flur 00, Flurstück 00. Das Grundstück hat eine Grundfläche von 597 qm und eine Wohnfläche von 167 qm; die selbstgenutzte Wohnung der Kläger zu 1) und 2) hat eine Wohnfläche von 117 qm; die 50 qm große Einliegerwohnung (Dachgeschosswohnung) ist vermietet.
Die Kläger beantragten am 29.12.2004 Leistungen nach dem SGB II. Die Agentur für Arbeit D bewilligte mit Bescheid vom gleichen Tage den Klägern für die Zeit vom 01.01.2005 bis 31.03.2005 monatliche Leistungen in Höhe von insgesamt 1.116,21 Euro.
Mit Bescheid vom 23.06.2005 bewilligte der Beklagte den Klägern über den Monat März hinaus für die Zeit vom 01.04.2005 bis 31.05.2005 Leistungen in Höhe von 864,54 Euro und für die Zeit vom 01.06.2005 bis 31.07.2005 in Höhe von 1.018.54 Euro. Gemäß der Bewilligung der Bundesagentur werde die Leistung für März 2005 in der ursprünglichen Höhe als Beihilfe gewährt, für die Zeit ab 01.04.2005 nur noch gemäß § 9 Abs. 4 SGB II (a.F.) als Darlehen. Gemäß § 7 Abs. 1 SGB II könnten Leistungen nur dem gewährt werden, der hilfebedürftig sei. Leistungen würden nur gewährt, sofern nicht Einkommen und Vermögen entgegenstehe.
Die Grundstücksfläche sei mit 597 qm zwar angemessen, nicht jedoch die Wohnfläche von insgesamt 167 qm mit der Folge, dass das Hausgrundstück der Kläger nicht im Sinne von § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 SGB II geschützt sei. Hier liege auch keine Härte vor.
Mit weiterem Bescheid vom 29.07.2005 lehnte der Beklagte die Bewilligung von laufenden Leistungen nach dem SGB II für die Zeit ab 01.08.2005 ab mit der Begründung, die Kläger verfügten über Vermögen, welches nicht gemäß § 12 Abs. 3 SGB II geschützt sei. Auch eine darlehensweise Weiterbewilligung komme nicht in Betracht, da die Kläger nicht bereit seien, das Darlehen grundbuchrechtlich absichern zu lassen.
Gegen die Bescheide vom 23.06.2005 und 29.07.2005 legten die Kläger zu 1) und 2) jeweils Widerspruch ein. Die Leistung nach dem SGB II sei als Zuschuss zu gewähren. Die "Wohngemeinschaft" bewohne in ihrem Wohnhaus nur 117qm. Nicht hinzuzurechnen sei die vermietete Wohneinheit von 50 qm. Im Übrigen dürfe eine darlehensweise Gewährung nicht von der Einräumung einer G...