Entscheidungsstichwort (Thema)

Unfallversicherungsschutz eines Jagdleiters als Wie-Beschäftigter

 

Orientierungssatz

1. Unfallversicherungsschutz als Wie-Beschäftigter nach § 2 Abs. 2 i. v. m. Abs. 1 Nr. 1 SGB 7 setzt voraus, dass es sich um eine ernstliche dem Unternehmen dienende Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert handelt, die dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entspricht und unter solchen Umständen tatsächlich geleistet wird, dass sie ihrer Art nach sonst von einer Person verrichtet werden könnte, welche in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis steht.

2. Ist eine an der Jagd teilnehmende Person von dem Pächter des Jagdreviers entsprechend den gesetzlichen Vorschriften zum Jagdleiter bestimmt worden, so übt er für den Jagdpächter eine dem Jagdpachtunternehmen dienende Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert aus. Der Pächter des Jagdreviers hätte, wenn er diese Aufgabe nicht übernehmen wollte, auch jemanden gegen Entgelt für diese Position anstellen können. Dies gibt der Tätigkeit ein beschäftigungsähnliches Gepräge.

3. Besitzt der Verunglückte eine Jagderlaubnis des Jagdpächters, so führt dies nicht zwangsläufig zur Versicherungsfreiheit nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 SGB 7. Vielmehr kann eine Person, die über eine Jagderlaubnis für ein Revier verfügt, in diesem als Wie-Beschäftigter gemäß § 2 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 Nr. 1 SGB 7 tätig werden.

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 14.04.2014 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Kläger bei einer Jagdveranstaltung am 28.12.2012 einen unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehenden Arbeitsunfall erlitten hat.

Der 1954 geborene Kläger ist Unternehmer im Bereich der Dreh- und Frästechnik und als Geschäftsführer tätig. Am 28.12.2012 nahm er an einer Jagdveranstaltung der Jagdgemeinschaft L, X, C in O teil. Dabei schoss sich der Kläger in das rechte Bein. Im Universitätsklinikum N (UKN) wurde von den Durchgangsärzten Prof. Dr. S/PD Dr. W am Unfalltag eine "Schrotschussverletzung Kniegelenk und Unterschenkel rechts mit defektstreckiger Durchtrennung Nervus peroneus und suralis, Kompartmentsyndrom Gastocnemicusloge" diagnostiziert.

Gegenüber der Beklagten gab die Jagdgemeinschaft L, X, C am 01.02.2013 an, sie hätten dem Kläger im Jagdrevier O III einen Begehungsschein ausgestellt, der Kläger habe die Hege und Pflege des Wildes, den Transport der Jagdgesellschaft, Wildvermarktung, Anstellen der Schützen und Einteilung der Treiber zur Aufgabe gehabt. Ihm obliege der Jagdschutz, Fütterungen, Wildverwertung und Wildunfälle. Er habe ca. 600 Stunden jährlich Revierarbeit geleistet und dabei folgende Aufgaben gehabt: Jagdschutz, Aufstellen von Jagdeinrichtungen, Wildackerbestellung, Senfsaat an Landwirte verteilen, Wildackermischungen erstellen. Der Kläger führe ca. 70 Tage im Jahr arbeitnehmerähnliche Tätigkeit aus, als Entlohnung erhalte er den Abschuss von Rehwild. Er könne selbst Abschüsse nach eigener Entscheidung vornehmen und jage ca. 30-mal im Jahr im Revier O III. Ein Arbeitsvertrag bestehe nicht, der Kläger sei selbst Pächter des Reviers S 12. Zur Zeit der Verletzung sei der Kläger Jagdleiter gewesen.

Mit Bescheid vom 11.02.2013 lehnte die Beklagte eine Entschädigungspflicht aus Anlass des Unfallgeschehens vom 28.12.2012 ab und führte zur Begründung aus, der Kläger sei als Jagdgast versicherungsfrei tätig gewesen, Grundlage sei das private Interesse an der Jagd gewesen. Nicht entscheidend sei, ob während der Betätigung einige dem Jagdunternehmer dienliche Tätigkeiten verrichtet worden seien. Die unfallbringende Tätigkeit habe dem typischen Bereich angehört, in dem ein Jagdgast üblicherweise tätig werde, wozu er die Erlaubnis des jeweiligen Revierinhabers bekomme.

Zur Begründung des am 25.02.2013 erhobenen Widerspruchs trug der Kläger vor, er habe nicht als Jäger/Schütze am Treibjagdgeschehen teilgenommen, sondern sich auf die Tätigkeit des Jagdleiters beschränkt. Er habe während des Treibens ein von einem anderen Schützen beschossenes Kaninchen entdeckt, das sich in ein Gelände außerhalb des Treibens begeben habe. Er habe Nachschau halten wollen, hierbei habe sich der Schuss gelöst. Es habe sich um eine reine Vorsichtsmaßnahme im Sinne des Tier- und Jagdschutzes gehandelt und nicht um eine jagdgasttypische Tätigkeit. Den Jagdgästen sei es aus Sicherheitsgründen nicht gestattet gewesen, außerhalb des Treibjagdgeschehens eine Nachschau durchzuführen.

Hierzu hat die Beklagte in einem Schreiben vom 21.03.2013 ausgeführt, dass entscheidend sei, dass sich der Unfall bei der Jagdausübung ereignet habe und dass nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 11.11.2003, Az.: B 2 U 41/02 R) sämtliche Jagdteilnehmer mit Ausnahme des Jagdunternehmers grundsätzlich nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stünden.

Dagegen hat der Kläger mit Schreiben vo...

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