Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflegeversicherung. Gewährung eines Wohngruppenzuschlags. gemeinsame Beauftragung einer Präsenzkraft
Orientierungssatz
1. Auch eine GmbH als juristische Person kommt als Präsenzkraft iSd § 38a SGB 11 in Frage. Dass nicht nur eine natürliche (so aber SG Mainz vom 28.11.2016 - S 14 P 53/16), sondern auch eine juristische Person Präsenzkraft sein kann, entspricht schon einer praktischen Notwendigkeit. Denn eine natürliche Person ist (auf Grund von Arbeits-, Urlaubs- und Krankheitszeiten) gar nicht in der Lage, einer Wohngemeinschaft quasi "rund um die Uhr" für die ihr übertragenen Aufgaben zur Verfügung zu stehen. An dieser bereits im Urteil des LSG Essen vom 20.9.2018 - L 5 P 97/17 zu § 38a Abs 1 Nr 3 SGB 11 dargelegten Rechtsauffassung hält der Senat ausdrücklich fest.
2. Voraussetzung dessen ist allerdings, dass die juristische Person den Bewohnern der Wohngruppe die natürliche Person, die sie zur Erfüllung der von ihr übernommenen Aufgaben einsetzt, namentlich benennt und die Bewohner dieser Entscheidung ausdrücklich zustimmen.
3. Die Präsenzkraft ist von den Mitgliedern der Wohngruppe gemeinschaftlich mit der Erbringung zumindest einer der alternativ genannten Aufgaben zu beauftragen. Erforderlich ist dabei neben der gemeinschaftlichen Beauftragung der Präsenzkraft auch, dass ihr konkreter Aufgabenkreis gemeinsam festgelegt wird. Dabei ist es ausreichend, wenn die Gemeinschaft die Präsenzkraft im Rahmen einer protokollierten Mitgliederversammlung beauftragt und dort ihre Aufgaben festlegt. Eine zusätzliche schriftliche vertragliche Vereinbarung ist darüber hinaus nicht zwingend erforderlich. Wenn jedoch ein Mitglied der Wohngemeinschaft nicht bei der Mitgliederversammlung anwesend ist oder vertreten wird, liegt keine gemeinschaftliche Beauftragung vor.
4. Aus dem Umstand, dass der Präsenzkraft eine der im Gesetz genannten Aufgaben übertragen werden muss, kann geschlossen werden, dass es ausreichend sein kann, wenn die Person für die vereinbarte Aufgabe entsprechend deren Anforderungen zur Verfügung steht, wobei die heute zur Verfügung stehenden Kommunikationswege (Telefon, Fax, E-Mail, Skype, WhatsApp) nahezu eine ständige Erreichbarkeit sicherstellen können (vgl LSG Essen vom 20.9.2018 - L 5 P 97/17). Eine hauptamtliche Sozialarbeiterin, die mehrere Wohngruppen einer GmbH ehrenamtlich betreut, nur zweimal bei den jährlichen Mitgliederversammlungen und manchmal bei Festen der Gemeinschaft zugegen ist, über die außerhalb der Pflege liegenden organisatorischen und verwaltungstechnischen Abläufe in der Wohngemeinschaft nur rudimentäre Kenntnisse hat und eventuelle Ansprechpartner namentlich nicht benennen kann, erfüllt diese Anforderung nicht.
5. Hier: Zum Streit über die Gewährung eines pauschalen Zuschlags (Wohngruppenzuschlag) nach § 4 Abs 7a iVm Nr 13 des Tarifs PV der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die private Pflegepflichtversicherung (AVB MB/PPV).
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 15.8.2018 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gewährung eines pauschalen Zuschlags (fortan: Wohngruppenzuschlag) nach § 4 Abs. 7a i.V.m. Nr. 13 des Tarifs PV der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die private Pflegeversicherung (AVB MB/PVV) ab dem 1.9.2015.
Der beihilfeberechtigte Kläger ist bei der Beklagten hinsichtlich des nicht von der Beihilfe abgedeckten Teils (30%) privat pflegeversichert. Der Versicherungsschutz erstreckt sich auch auf seine 1956 geborene Ehefrau O.
Die Ehefrau des Klägers erlitt im Mai 2014 eine Hirnblutung mit Hirnstamminfarkt. Seitdem leidet sie unter einem Locked-In-Syndrom mit schwerer Tetraparese. Sie kann weder stehen noch gehen und ist inkontinent. Frau O wird künstlich ernährt und muss mehrmals täglich endotracheal abgesaugt sowie umgelagert werden. Einmal wöchentlich wird sie im Rollstuhl mobilisiert. Alle pflegerischen Verrichtungen werden in Vollübernahme erbracht.
Nach ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus wurde Frau O ab dem 2.9.2014 in der "Wohngemeinschaft T 00" (fortan: "Wohngemeinschaft") in C untergebracht. Die Wohngemeinschaft wurde im Sommer 2014 von der Q Pflege und Rehabilitation GmbH (fortan: GmbH) gegründet. Gesellschafterinnen der GmbH sind die Zeugin Frau S und Frau C. Die GmbH bietet in der Wohngemeinschaft (www.xxx.html) "außerklinische Intensivpflege in der ambulant betreuten Wohngemeinschaft" an. Die Wohngemeinschaft wurde nach dem Wohn- und Teilhabegesetz NRW (WTG NRW) mit Bescheid vom 31.7.2018 als selbstverantwortete Wohngruppe anerkannt.
Das Gebäude, in dem die Wohngemeinschaft untergebracht ist, hat ein Erd- und ein Obergeschoss. Beide Etagen verfügen über eine barrierefreie Dusche mit Toilette. Es gibt insgesamt sieben einzelne Zimmer (von 11,13 bis 21, 67 m²). Vier davon befinden sich ebenso wie eine Diele,...