Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. keine Aufwandspauschale nach lediglicher Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung. materielle Beweislast des Krankenhauses

 

Orientierungssatz

1. Der Anspruch des Krankenhausträgers auf Zahlung einer Aufwandspauschale nach § 275 Abs 1c S 3 SGB 5 setzt ua voraus, dass eine Prüfung durch den MDK seitens der Krankenkasse stattgefunden hat.

2. Hat die Krankenkasse durch den MDK lediglich die sachlich-rechnerische Richtigkeit der Abrechnung überprüft und keine Auffälligkeitsprüfung nach § 275 Abs 1 Nr 1 Alt 2, Abs 1c SGB 5 vorgenommen, so begründet dies keinen Aufwendungsersatzanspruch nach § 275 Abs 1c S 3 SGB 5.

3. § 275 Abs 1 Nr 1 SGB 5 enthält keine Ermächtigungsgrundlage zur Durchführung von Auffälligkeitsprüfungen, sondern setzt eine entsprechende Prüfungsbefugnis der Krankenkasse voraus.

4. Für den Vergütungsanspruch trägt das Krankenhaus die materielle Beweislast. Dementsprechend obliegt der Krankenkasse die sachlich-rechnerische Prüfung der von ihm vorgelegten Abrechnung. § 275 Abs 1c SGB 5 ist eng auszulegen und auf die Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots zu beschränken.

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 04.02.2016 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 300,- Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Zahlung einer Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1c Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V).

In dem nach § 108 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) zugelassenen Krankenhaus der Klägerin, einer Anstalt öffentlichen Rechts, wurde in der Zeit vom 12.01.2015 bis 23.01.2015 der bei der Beklagten versicherte Herr I T stationär behandelt. Für diesen Aufenthalt stellte die Klägerin der Beklagten am 10.03.2015 eine Rechnung in Höhe von 6.422,78 Euro aus. Sie legte dabei die DRG J64A zugrunde und kodierte u.a als Nebendiagnosen B95.2 (Streptokokken, Gruppe D, als Ursache von Krankheiten, die in anderen Kapiteln klassifiziert sind) und U80.4 (Escherichia, Klebsiella und Proteus mit Resistenz gegen Chinolone, Carbapeneme, Amikacin, oder mit nachgewiesener Resistenz gegen alle Beta-Laktam-Antibiotika (ESBL-Resistenz)).

Die Beklagte beauftragte am 26.03.2015 den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Prüfung der Abrechnung unter der Fragestellung: "Ist die DRG korrekt?" und "Ist/sind die Nebendiagnose(n) (ND) korrekt?".

Mit Schreiben vom gleichen Tage teilte die Beklagte dem Krankenhaus der Klägerin mit, dass sie am 26.03.2015 den MDK mit einer sachlich-rechnerischen Prüfung beauftragt habe. Die Nebendiagnosen U80.4 und B95.2 seien anhand der Falldaten nicht plausibel.

Mit einem Schreiben vom 30.03.2015 teilte der MDK der Klägerin Folgendes mit:

"Begutachtung der stationären Behandlung nach § 275 Abs. 1c SGB V -

- Prüfanzeige und Unterlagenanforderung - ( ...)

Sehr geehrte Damen und Herren,

uns liegt ein Erstauftrag der Krankenkasse vor. Auffälligkeiten bzw. Prüfanlass wurden uns von der Kasse wie folgt mitgeteilt:

Auffälligkeit / Prüfanlass

Ist/sind die Nebendiagnose(n) (ND) korrekt?

Zur Bearbeitung bitten wir um Übersendung sämtlicher Behandlungsunterlagen aller beteiligten Fachabteilungen, die geeignet sind, die Fragestellung der Krankenkasse über den o. g. Aufenthalt bezogen auf die o. g. Auffälligkeiten bzw. den Prüfanlass vollumfänglich zu beantworten; mindestens jedoch:

- den ausführlichen Entlassungsbericht (inkl. Laborparameter) ( ...)"

Nachdem die Klägerin diese Unterlagen zur Verfügung gestellt hatte, führte der MDK durch Frau Dr. G in einem sozialmedizinischen Gutachten vom 10.07.2015 aus, dass die kodierrelevanten Nebendiagnosen belegt seien.

Die Beklagte beglich daraufhin die Rechnung der Klägerin vollständig.

Mit einem Schreiben vom 17.07.2015 forderte die Klägerin die Beklagte zur Zahlung einer Aufwandspauschale in Höhe von 300,00 Euro auf.

Die Beklagte lehnte die Zahlung der Aufwandspauschale unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) (Urteil vom 01.07.2014 - B 1 KR 29/13 R - und Urteil vom 14.10.2014 - B 1 KR 26/13 R -) ab. Es habe sich nicht um eine Auffälligkeitsprüfung im Sinne des § 275 Abs. 1c SGB V gehandelt, sondern um eine Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung, für die keine Aufwandspauschale anfalle.

Am 19.08.2015 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht (SG) Detmold erhoben. Sie hat die Auffassung vertreten, dass das Gesetz eine Unterscheidung zwischen einer Auffälligkeitsprüfung und einer Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit nicht vorsehe. Das BSG gehe entgegen dem klaren Wortlaut des § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V und des § 275 Abs. 1c Satz 1 SGB V davon aus, dass eine Prüfung nach § 275 Abs. 1c SGB V stets eine Auffälligkeit voraussetze und damit als Auffälligkeitsprüfung bezeichnet werden könne. In § 275 Abs. 1c Satz 1 SGB V werde ohne j...

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