Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Gegenstandslosigkeit eines Verwaltungsakts. Raumluftbefeuchter. kein Hilfsmittel iS des § 33 Abs 1 S 1 SGB 5. Streichung der entsprechenden Produktart aus dem Hilfsmittelverzeichnis durch Spitzenverbände der Krankenkassen ist rechtens. Begriff. Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens

 

Orientierungssatz

1. Waren Bestand oder Rechtswirkungen eines Verwaltungsaktes von vornherein für den Adressaten erkennbar an den Fortbestand einer bestimmten Situation gebunden, wird er gegenstandslos, wenn diese Situation nicht mehr besteht (vgl BSG vom 11.07.2000 - B 1 KR 14/99 R = SozR 3-1300 § 39 Nr 7 RdNr 20 und BSG vom 06.09.2006 - B 6 KA 43/05 R = SozR 4-2500 § 75 Nr 5 RdNr 24).

2. Die bis zum 31.03.2007 gemäß § 128 S 1 SGB 5 zuständigen Spitzenverbände der Krankenkassen für die Erstellung und Fortschreibung des Hilfsmittelverzeichnisses sind zu Recht davon ausgegangen, dass es sich bei Raumluftbefeuchtern nicht um Hilfsmittel handelt, sondern um Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens. Die entsprechende Produktart durfte somit aus dem Hilfsmittelverzeichnis gestrichen werden.

3. Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens sind nach der mittlerweile ständigen Rechtsprechung des BSG solche, die allgemein auch von Gesunden im täglichen Leben verwendet werden. Maßgebend hierfür ist die jeweilige Zweckbestimmung, ausgehend von Funktion und Gestaltung des Gegenstands, wie er konkret beansprucht wird und beschaffen ist (vgl zB BSG vom 16.9.1999 - B 3 KR 1/99 R = BSGE 84, 266 = SozR 3-2500 § 33 Nr 33).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 24.01.2013; Aktenzeichen B 3 KR 22/11 R)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 24.03.2010 geändert und die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 40.000 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Streitig ist die Streichung eines Produktes aus dem Hilfsmittelverzeichnis der gesetzlichen Krankenversicherung.

Die Klägerin vertreibt neben verschiedenen Hilfsmitteln auch den Raumluftbefeuchter Bonito-Air-Comfort, Modell 1345, Art.-Nr. 59000. Bei diesem Gerät handelt es sich um einen elektrisch betriebenen Luftbefeuchter, der für eine keim-, bakterien- und mineralfreie Luftbefeuchtung sorgt.

Mit Bescheid vom 02.04.2001 hatte der seinerzeit für die Erstellung des Hilfsmittelverzeichnisses federführende IKK-Bundesverband im Namen der Spitzenverbände der Krankenkassen der Klägerin mitgeteilt, dass dieser Raumluftbefeuchter unter der Pos.-Nr. 12.24.08.0004 in die Produktgruppe 12 "Hilfsmittel bei Tracheostoma" in das Hilfsmittelverzeichnis aufgenommen werde. Eine entsprechende Mitteilung wurde im Bundesanzeiger veröffentlicht.

Im Rahmen der Fortschreibung des Hilfsmittelverzeichnisses (Bekanntmachung vom 28.10.2005) wurde die bisher in der Produktgruppe 12 enthaltene Produktart 12.24.08 (Elektrische Atemluftbefeuchter für Tracheotomierte) gestrichen und mit "nicht besetzt" gekennzeichnet. Die Bekanntmachung enthält hierzu den Hinweis, dass Raumluftbefeuchter zur Verbesserung des Raumklimas nicht der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung unterlägen, da sie Gebrauchsgegenstände darstellten. Die gesetzliche Krankenversicherung sei nicht für die Schaffung eines gesunden beziehungsweise besseren Raumklimas zuständig. Diese Bekanntmachung wurde im Bundesanzeiger Nr. 66 am 04.04.2006 veröffentlicht.

Mit Schreiben vom 18.04.2006 wurde die Klägerin darüber informiert, dass die Spitzenverbände der Krankenkassen vor diesem Hintergrund beabsichtigten, den Aufnahmebescheid für das Produkt Raumluftbefeuchter Bonito Air Comfort gemäß § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) aufzuheben und den Produkteintrag bei der bisherigen Positionsnummer mit "nicht besetzt" zu kennzeichnen.

Die Klägerin trat dem entgegen und machte geltend, der Raumluftbefeuchter sei ein Hilfsmittel zum Behinderungsausgleich. Das Produkt diene nicht allein der Verbesserung des Raumklimas, um das Wohlbefinden zu steigern, sondern zur Aufbereitung der Raumluft, um den für Tracheotomierte/Laryngektomierte aus gesundheitlichen Gründen notwendigen Feuchtigkeitsgehalt der Luft herzustellen.

Mit Bescheid vom 06.09.2006 hoben die Spitzenverbände der Krankenkassen den Bescheid vom 02.04.2001 gemäß § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X auf und strichen das Produkt der Klägerin aus dem Hilfsmittelverzeichnis. Zur Begründung führten sie aus, es gehöre nicht zu den Aufgaben der gesetzlichen Krankenversicherung, die Kosten für Gegenstände und Produkte zu übernehmen, die zum allgemeinen Lebensbedarf oder zur normalen Lebensführung gehörten. Atemluftbefeuchter seien heute allgemein im Handel erhältlich und für jedermann käuflich zu erwerben. Sie würden unabhängig vom Vorliegen einer Krankheit bzw. Behinderung in zahlreichen Fällen auch von gesunden bzw. nicht behinderten Menschen erworben und zur Verbesserung des Raumklimas ...

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