Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld. Erlöschen des Anspruchs. Verfügbarkeit. Promotionsstipendium

 

Orientierungssatz

1. Geltendmachen iS des § 147 Abs 2 SGB 3 bedeutet, dass der Zeitpunkt maßgeblich ist, zu dem ein Anspruch auf Zahlung von Arbeitslosengeld überhaupt vorhanden ist.

2. Schließen die Richtlinien des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, die auch Bestandteil der privatrechtlichen Stipendienvereinbarung waren, eine Förderung während einer Berufstätigkeit aus, die einen Umfang von 10 Wochenstunden übersteigt, so liegt Verfügbarkeit für den Bezug von Arbeitslosengeld während des Bezugs des Promotionsstipendiums auch dann nicht vor, wenn die Promotionstätigkeit nur in den Abendstunden und am Wochenende erfolgt.

3. Die Bindungen aus der Stipendienvereinbarung sind als Ausbildungsbestimmungen iS von § 120 Abs 2 SGB 3 anzusehen.

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 22.06.2001 geändert und die Klage abgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt Arbeitslosengeld (Alg) für den Zeitraum ab 19. Februar 1999. Streitig ist, ob ein zuvor bestehender Alg-Anspruch gemäß § 147 Abs 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) erloschen ist.

Die im Jahre 1964 geborene Klägerin war von 1990 bis 31. Dezember 1994 beim Erzbistum Q beschäftigt. Am 23. Dezember 1994 meldete sie sich mit Wirkung zum 2. Januar 1995 arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Alg. Die Beklagte bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 9. Februar 1995 Alg ab 2. Januar 1995. Die Klägerin bezog Alg bis 29. April 1995. Daneben war sie im Studiengang Soziologie an der Universität N mit dem Ziel der Promotion immatrikuliert. Zum 1. Mai 1995 meldete sie sich wegen eines Auslandsaufenthalts aus dem Leistungsbezug ab. Am 25. November 1998 meldete sie sich erneut arbeitslos. Die Klägerin gab an, dass sie schwanger sei. Zugleich verzichtete sie auf die sechswöchige Schutzfrist für werdende Mütter nach dem Mutterschutzgesetz (MuSchG). Die Beklagte bewilligte Alg bis zur Geburt des Kindes am 24. Dezember 1998 (Bewilligungsbescheide vom 10. Dezember 1998 und vom 27. Januar 1999). In dem letzten Bewilligungsbescheid vom 27. Januar 1999 war die "insgesamt erworbenen Anspruchsdauer" auf Alg mit 223 Tagen angegeben. Die Klägerin meldete sich am 22. Januar 1999 mit Wirkung zum 19. Februar 1999 (Ablauf des achtwöchigen Beschäftigungsverbots nach der Geburt am 24. Dezember 1998) wieder arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Alg. Die Beklagte lehnte die Bewilligung von Alg nunmehr ab (Bescheid vom 18. Februar 1999) und wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 26. März 1999). Zur Begründung führte sie aus, der ursprüngliche Anspruch auf Alg könne gemäß § 147 Abs 2 SGB III nicht mehr geltend gemacht werden, weil seit seiner Entstehung vier Jahre verstrichen seien. Der Anspruch sei am 2. Januar 1995 entstanden, die Vierjahresfrist mithin am 2. Januar 1999 abgelaufen. Zum 19. Februar 1999 sei auch kein neuer Anspruch auf Alg gemäß §§ 117, 123, 124 SGB III entstanden. Die Klägerin erhielt später ab 16. Mai 1999 Arbeitslosenhilfe (Alhi). In dem Alhi-Antrag gab sie an, bis 15. Mai 1999 ein Promotionsstipendium des D-Werks erhalten zu haben.

Auf die von der Klägerin am 29.04.1999 erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Münster durch Urteil vom 22. Juni 2001 die Bescheide der Beklagten aufgehoben und diese verurteilt, der Klägerin ab 19. Februar 1999 Alg bis zur Erschöpfung des Leistungsanspruchs zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt, zwar sei mit der Geburt des Kindes am 24. Dezember 1998 die Verfügbarkeit der Klägerin für acht Wochen auf Grund des zwingenden Beschäftigungsverbots gemäß § 6 Abs. 1 MuSchG entfallen. Jedoch dürfe dieses Beschäftigungsverbot nicht dazu führen, dass ein bereits bewilligter und laufender Alg-Anspruch gemäß § 147 Abs. 2 SGB III wegen des reinen Zeitablaufs entfalle. Art 6 Abs. 4 Grundgesetz (GG) gebiete eine verfassungskonforme Auslegung des § 147 Abs. 2 SGB III für den Fall eines kalendermäßigen Ablaufs der Mutterschutzfrist und Geltendmachung des Alg-Anspruchs bereits vor Ablauf der Vierjahresfrist. Es widerspreche dem Sinn und Zweck des Beschäftigungsverbots nach dem MuSchG, wenn es dazu führe, dass eine Mutter erhebliche finanzielle Einbußen erleide, indem sie den gesamten Restanspruch auf Alg verliere.

Auf die Berufung der Beklagten hat der erkennende Senat durch Urteil vom 26. Juni 2002 das Urteil des SG geändert und die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat er ausgeführt, die Klägerin habe den Restanspruch auf Alg zum 19. Februar 1999 nicht mehr geltend machen können, weil seit seiner Entstehung vier Jahre verstrichen seien. Der Wortlaut des § 147 Abs. 2 SGB III sei eindeutig und auch nicht im Hinblick auf Art. 6 Abs. 4 GG einer verfassungskonformen Auslegung zugänglich. Auf die Revision der Klägerin hat das BSG durch ...

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