Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung. Integrationshelfer zur Teilnahme an der Offenen Ganztagsschule. Einkommenseinsatz. - siehe dazu anhängiges Verfahren beim BSG: B 8 SO 4/17 R
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Übernahme von Kosten für einen Integrationshelfer für den Besuch einer Offenen Ganztagsschule (§ 9 Abs 3 S 1 SchulG NRW - juris: SchulG NW 2005) als Hilfe zur angemessenen Schulbildung (§ 54 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB XII; § 12 Nr 1 EinglHV - juris: BSHG§47V).
Normenkette
SGB XII § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 53 Abs. 1 S. 1, § 13 Abs. 2, § 98 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, § 92 Abs. 2 S. 1, § 19 Abs. 3; EinglHV §§ 2, 12 Nr. 1; SGB VIII §§ 35a, 10 Abs. 4 S. 2; SGB IX § 55; SchulG NRW § 9 Abs. 3 S. 1; GG Art. 3 Abs. 1, 3 S. 2, Art. 20 Abs. 3; UN-BRK Art. 45 Abs. 2, Art. 7 Abs. 2, Art. 14, 24
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 28.10.2014 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt Sozialhilfe zur Deckung der Kosten für Integrationshelfer während der Nachmittagsbetreuung in einer "Offenen Ganztagsschule" (OGS) für den Monat April 2013.
Der am 00.00.2006 geborene Kläger ist aufgrund eines Gendefekts (Trisomie 21) schwerbehindert. Vom Versorgungsamt wurde ihm ein Grad der Behinderung von 100 einschließlich der Merkzeichen G und H zuerkannt. Infolge der Krankheit besteht eine allgemeine Entwicklungsstörung, die insbesondere in einem nicht immer altersentsprechenden Instruktionsverständnis zum Ausdruck kommt. Ferner besteht eine Muskelhypotonie und eine deutliche Retardierung der expressiven Sprache. Das intellektuelle Leistungsvermögen des Klägers liegt im stark unterdurchschnittlichen Bereich seiner Altersgruppe. Unter Anwendung des sog. SON-R (2½-7)-Tests wurde im Februar 2012 bei ihm ein möglicher Intelligenzquotient (IQ) zwischen 55 und 66 ermittelt. Vom Träger der Gesetzlichen Pflegeversicherung wurde er der Pflegestufe II zugeordnet.
Der Kläger lebt mit seinen Eltern und seiner im Juni 2007 geborenen Schwester in einer Mietwohnung im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Beklagten. Die Kosten für diese Wohnung beliefen sich im streitigen Zeitraum auf 960 EUR monatlich (Grundmiete 720 EUR, Nebenkostenvorauszahlung 120 EUR, Heizkostenvorauszahlung 120 EUR). Der in Vollzeit erwerbstätige Vater und die in Teilzeit erwerbstätige Mutter erzielten im Mai und Juni 2013 jeweils Nettoeinkünfte i.H.v. 1.895,52 EUR (Vater) bzw. 1.740,46 EUR (Mutter). Die Eltern verfügten über eine Lebensversicherung, einen Bausparvertrag und ein Tagesgeldkonto im Wert von insgesamt etwa 3.200 EUR (Stand: Sommer 2012). Für den Kläger wurde Kindergeld i.H.v. monatlich 184 EUR gezahlt. Aufwendungen hatten seine Eltern für eine Haftpflichtversicherung (monatlich 6,10 EUR) sowie für Fahrtkosten i.H.v. monatlich 90,30 EUR (Vater 41,70 EUR, Mutter 48,60 EUR).
Ab August 2008 besuchte der Kläger eine integrative Kindertagesstätte. Dort erhielt er Frühförderung in einem Umfang von ein bis zwei Einheiten pro Woche. Daneben erfolgte ab 2008 eine sprachtherapeutische Förderung.
Im Sommer 2012 wurde der Kläger schulpflichtig. Wegen der anstehenden Einschulung erstatteten der - in der mündlichen Verhandlung vom Senat als Zeugen vernommenen - Schulleiter E der S-Schule (städtische Grundschule) und die Sonderschullehrerin U ein Gutachten vom 22.02.2012 über den sonderpädagogischen Förderbedarf des Klägers (AOSF-Gutachten). Für dieses Gutachten wurde der SON-R (2½-7)-Test durchgeführt. Die Gutachter sahen Förderbedarf vorrangig im Bereich geistige Entwicklung, daneben in den Bereichen Sprache und Kommunikation sowie soziale und emotionale Entwicklung. Diesem Förderbedarf komme eine Beschulung nach dem integrativen Fördermodell des Gemeinsamen Unterrichts (GU) an einer Grundschule entgegen. Um den Wechsel in eine Schule mit GU zu bewältigen und zu lernen, sich in der Schule zu orientieren, benötige der Kläger vor allem in der Anfangszeit umfassende individuelle Begleitung. Eine Integrationskraft sei dringend erforderlich, um grundlegende Lern- und Sozialstrukturen im Unterrichtsalltag anzubahnen und zu begleiten.
Zum Schuljahresbeginn 2012/2013 (23.08.2012) wurde der Kläger an der S-Schule eingeschult. Parallel zum Schulbesuch erlernte er privat das Schwimmen; den Schwimmkurs musste er für einen erfolgreichen Abschluss behinderungsbedingt mehrfach wiederholen. Die hierfür aufgewendeten Kosten beliefen sich nach Angaben der Eltern auf etwa 140 EUR pro Schwimmkurs. In der Freizeit besuchte der Kläger gemeinsam mit seiner Schwester das Kinderturnen in einem Turnverein.
Die S-Schule ist eine Regelgrundschule, an der im Schuljahr 2012/2013 in (nur) einer Klasse behinderte und nichtbehinderte Kinder nach dem Konzept des GU unterrichtet wurden. In dieser Klasse befanden sich neben dem Kläger fünf weitere Schülerinnen und Sch...