Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenhausvergütung. Aufwandspauschale. vierjährige Verjährungsfrist
Orientierungssatz
1. Bei der Verjährung des Anspruchs auf die Aufwandspauschale gem § 275 Abs 1c S 3 SGB 5 idF vom 17.3.2009 gilt die vierjährige Verjährungsfrist als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsprinzips des Sozialrechts.
2. Inwieweit das Inkrafttreten des § 109 Abs 5 SGB 5 etwas an der Verjährungsfrist geändert hat, kann dahinstehen, da diese Neuregelung nach § 109 Abs 5 S 3 SGB 5 ausdrücklich nicht für Ansprüche gilt, die vor dem 1.1.2019 entstanden sind.
3. Einer Anwendung der vierjährigen Verjährungsfrist als allgemeinem Rechtsprinzip steht auch § 69 Abs 1 S 3 SGB 5 nicht entgegen.
3. Von einer Anwendbarkeit der vierjährigen Verjährung in Krankenhausabrechnungsstreitigkeiten ist auch der Gesetzgeber ausgegangen, der diese Rechtslage bis zur Einführung der zweijährigen Verjährung nach § 109 Abs 5 SGB 5 unverändert gelassen hat (vgl BSG vom 21.4.2015 - B 1 KR 11/15 R = SozR 4-2500 § 69 Nr 10 RdNr 15).
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 20.01.2022 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 900 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Verjährung von Ansprüchen auf Aufwandspauschalen.
Die Klägerin betreibt ein nach § 108 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch(SGB V) zugelassenes Krankenhaus. Im Jahre 2016 behandelte sie dort drei bei der beklagten Krankenkasse Versicherte aufgrund unterschiedlicher Erkrankungen jeweils stationär (Frau M, * 00.00.1929, vom 07.03.2016 bis 09.03.2016, Frau H, * 00.00.1932, vom 22.04.2016 bis 30.05.2016, sowie Herrn K, * 00.00.1939, vom 19.08.2016 bis 01.09.2016). Die Rechnungen der Klägerin beglich die Beklagte, beauftragte sodann aber jeweils den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit einer Abrechnungsprüfung (deren Gegenstand in allen Fällen die Kodierung der Prozeduren sowie zusätzlich die untere ≪M≫ bzw obere Grenzverweildauer ≪H≫ und die Zahl der Beatmungsstunden ≪K≫ waren). Der MDK kam in allen Fällen zu dem Ergebnis, dass keine Beanstandungen vorlägen (Gutachten vom 06.11.2016 ≪K≫, 08.11.2016 ≪M≫ und 05.12.2016 ≪H≫). Die Klägerin forderte von der Beklagten daraufhin in allen Fällen die Zahlung einer Aufwandspauschale iHv jeweils 300 EUR (Rechnungen vom 09.11.2016 ≪M≫, 10.11.2016 ≪K≫ und 09.12.2016 ≪H≫). Die Beklagte lehnte die Zahlung der Aufwandspauschale in allen Fällen ab, weil die Klägerin in ihrem Datensatz die Pflegestufe der bzw des Versicherten nicht angegeben habe, obwohl diese Zusatzangabe seit Januar 2016 zwingend vorgeschrieben sei.
Die Klägerin hat am 07.12.2020 Klage zum Sozialgericht (SG) Duisburg erhoben und vorgetragen, weder aus dem Gesetzeswortlaut noch aus der Gesetzesintention oder der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) folge, dass das Krankenhaus der Krankenkasse mit der Abrechnung eine - ihm möglicherweise gar nicht bekannte - Pflegestufe zu übermitteln habe. Ihr Anspruch sei auch nicht verjährt. Insoweit sei auf § 45 Erstes Buch Sozialgesetzbuch(SGB I) als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsprinzips der vierjährigen Verjährung im Sozialrecht abzustellen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 900 EUR nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 07.12.2020 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Verjährung des Klageanspruchs eingewandt. Die Aufwandspauschale sei eine Art des Aufwendungsersatzes (iSd § 670 Bürgerliches Gesetzbuch ≪BGB≫), sodass die allgemeinen Verjährungsvorschriften der §§ 195, 199 Abs 1 Nr 1 BGB griffen. Danach verjährten Ansprüche innerhalb von drei Jahren beginnend mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entsteht. Mithin seien die Ansprüche der Klägerin allesamt bereits mit Ende des Jahres 2019 verjährt.
Das SG hat die Beklagte zur Zahlung von insgesamt 900 EUR nebst Zinsen iHv 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins verurteilt (Urteil vom 20.01.2022). Die Klägerin habe das Prüfverfahren nicht durch eine nachweislich fehlerhafte Abrechnung veranlasst. Es könne dahinstehen, ob seitens der Klägerin überhaupt eine fehlerhafte Abrechnung erfolgt sei, weil die Pflegestufe nicht angegeben worden seien. Jedenfalls sei nicht ersichtlich, dass die Beklagte diese fehlenden Angaben zum Anlass für ihre Überprüfungen genommen habe. Weiter sei bei einem Anspruch auf Zahlung einer Aufwandspauschale die vierjährige Verjährungsfrist als speziellere sozialrechtliche Norm vorrangig anzuwenden. Die vertraglichen Rechtsbeziehungen zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen würden dem öffentlichen Recht zugeordnet, sodass auch der Anspruch auf Zahlung einer Aufwandspauschale dem öffentlichen Recht zuzuordnen sei. Die Regelung der Verjährung ergebe sich schon aus dem Vierten Kap SGB V selbst und den hierfür gelten...