Entscheidungsstichwort (Thema)

Beitragsnacherhebung. Gefahrtarifstelle. Kaufmännische und verwaltende Tätigkeit. Ingenieur. Auslegung. Arbeitnehmerüberlassung. Gleichbehandlung. Verschulden. Lohnnachweis. Ermessen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ingenieure verrichten keine ausschließlich kaufmännische und verwaltende Tätigkeit.

2. Die Nacherhebung von Beiträgen zur gesetzlichen Unfallversicherung kommt in Betracht, wenn die Beitragsabführung unrichtig war. Unerheblich ist hingegen, ob der beitragspflichtige Unternehmer schuldhaft gehandelt hat.

 

Normenkette

SGB VII § 168 Abs. 2 Nr. 3, § 219 Abs. 1; RVO § 749 Nr. 3; SGB IV § 25 Abs. 1 S. 1; GG Art. 3 Abs. 1

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 14. November 2002 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beitragsnachforderungsbescheide der Beklagten für die Beitragsjahre 1995 bis 1998 rechtmäßig sind.

Die Klägerin, die Mitglied der Beklagten ist, betrieb seinerzeit in Düsseldorf ein Ingenieurbüro und verlieh Ingenieure im Wege der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung. Ab dem 01. Januar 1995 veranlagte die Beklagte die Klägerin mit bestandskräftigem Bescheid vom 29. September 1995 zu den Gefahrtarifstellen 23 und 24 des Gefahrtarifs 1995 (GT 1995). Die Gefahrtarifstelle 23 mit der Gefahrklasse 1,6 erfasst Beschäftigte, die ausschließlich in kaufmännischen und verwaltenden Unternehmensteilen der Verleiher und Entleiher eingesetzt sind und ausschließlich kaufmännische und verwaltende Tätigkeiten verrichten. Die übrigen Arbeitnehmer sind der Gefahrtarifstelle 24 zugeordnet, und zwar gestaffelt nach den Gefahrklassen 12,8 für das Kalenderjahr 1995, 15,8 für das Kalenderjahr 1996 und 18,8 für das Kalenderjahr 1997. Die Klägerin meldete die Bruttoarbeitsentgelte der verliehenen Ingenieure zur Gefahrtarifstelle 23. Mit Bescheiden vom 26. April und 02. Mai 1996 für das Beitragsjahr 1995, vom 26. August, 08. und 09. Oktober 1997 für das Beitragsjahr 1996 und vom 27. April 1998 für das Beitragsjahr 1997 berechnete die Beklagte die Beiträge nach der Gefahrklasse 1,6.

Ab dem 01. Januar 1998 veranlagte die Beklagte die Klägerin mit bestandskräftigem Bescheid vom 31. März 1998 zu den entsprechenden Gefahrtarifstellen 48 (Gefahrklasse 0,57) und 49 (Gefahrklasse 10,66) des Gefahrtarifs 1998 (GT 1998). Die Klägerin meldete die Bruttoarbeitsentgelte der verliehenen Ingenieure zur Gefahrtarifstelle 48. Mit Bescheiden vom 22./27. April 1999 berechnete die Beklagte die Beiträge für das Umlagejahr 1998 nach der Gefahrklasse 0,57.

Im Februar 1999 führte die Beklagte eine Betriebsprüfung durch und vertrat die Auffassung, die Arbeitsentgelte der verliehenen Ingenieure seien den Gefahrtarifstellen 24 und 49 zuzuordnen. Im Prüfbericht vom 26. Februar 1999 kündigte sie eine entsprechende Korrektur der Beitragsbescheide an und gab der Klägerin Gelegenheit, sich hierzu binnen zwei Wochen zu äußern.

Mit Bescheiden vom 07. Juni 1999 änderte die Beklagte die Beitragsbescheide vom 02. Mai 1996, 09. Oktober 1997 sowie vom 27. April 1998 und berechnete die Beiträge anhand der Gefahrtarifstellen 24 und 49 neu.

Gegen die Veranlagungsbescheide erhob die Klägerin am 11. Juni 1999 Widerspruch und beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Den Beitragsänderungsbescheiden vom 07. Juni 1999 widersprach sie am 22. Juni 1999 und beantragte gleichzeitig, ihr die nachberechneten Beiträge zu stunden. Zur Begründung gab sie an, die verliehenen Ingenieure verrichteten an ihren jeweiligen Einsatzorten ausschließlich planerische Konstruktionsarbeiten im Büro und seien daher "eher dem kaufmännischen Bereich zuzuordnen". Sie müssten genauso behandelt werden, wie die Ingenieure, die im Stammhaus tätig seien. Denn für ihre Mitarbeiter im Ingenieurbüro (Gefahrtarifstelle 10 bzw. 4) betrage die Gefahrklasse 2,2 (ab 1995) bzw. 0,67 (ab 1998).

Mit Widerspruchsbescheid vom 28. März 2000 wies die Beklagte den Widerspruch gegen die Beitragsbescheide vom 07. Juni 1999 für die Umlagejahre 1995 bis 1998 zurück und führte zur Begründung aus, die Veranlagungsbescheide seien bindend geworden. Nach den Gefahrtarifen komme es keinesfalls auf die Tätigkeit, die der Beschäftigte ausübe, sondern allein auf die Art und den Gegenstand des Unternehmens an.

Dagegen hat die Klägerin am 02. Mai 2000 vor dem Sozialgericht (SG) Düsseldorf Klage erhoben und vorgetragen, dass ihre Ingenieure in den Leiharbeitsunternehmen ausschließlich kaufmännisch und verwaltend tätig seien. Sie erledigten an Büroarbeitsplätzen Korrespondenz, betreuten Waren- sowie Stücklisten und erstellten am Computer Pläne und Abläufe. Außendiensttätigkeiten auf Baustellen, an Projektorten oder in Fabrikationsanlagen kämen nicht vor. Es sei deshalb inakzeptabel, sie mit gewerblichen Arbeitnehmern gleichzustellen. Der Berufsgruppenkatalog der Bundesanstalt für Arbeit, an dem sich die Beklagte orientiere, erfüll...

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