Entscheidungsstichwort (Thema)
Soziales Entschädigungsrecht. Soldatenversorgung. Wehrdienstbeschädigung. wehrdiensteigentümliche Verhältnisse. Messerangriff durch anderen Soldaten während der Dienstzeit beim Revierreinigen. keine dienstliches Motiv des Täters. keine dienstliche Waffe. Vergleichbarkeit mit Küchenreinigung im Zivilleben. keine besondere Belastung durch Kasernierung bei gewöhnlichem Wehrdienst mit freien Wochenenden
Orientierungssatz
1. Eine während der Dienstzeit auf dem Kasernengelände und anlässlich einer Dienstverrichtung (hier Reinigen des Reviers) erfolgte Verletzung durch einen Messerangriff eines anderen Soldaten ist nicht durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden, wenn der Angriff aus nicht dienstlichem Motiv heraus mit einer nicht dienstlichen Waffe sowie in einer auch für das zivile Leben typischen Situation (hier vergleichbar mit dem Reinigen einer Küche in einem zivilen Lebensmittelbetrieb) heraus geschah.
2. Ein Soldat, der regulären Heimatdienst mit freien Wochenenden ohne besondere Belastung versieht, befindet sich unter Bedingungen, wie sie auch auf den allgemeinen Arbeitsmarkt im zivilen Leben vorherrschen.
3. Zur gegenteiligen Ansicht der Vorinstanz mit Hinweis auf BSG vom 29.1.1970 - 8 RV 91/68 = SozR Nr 80 zu § 1 BVG, wonach wehrdienstleistende Soldaten längerfristig innerhalb (und außerhalb) der Dienstzeit gezwungen sind, mit einer größeren Anzahl von fremden, individuell verschiedenen Menschen zusammenzuleben, welche sich noch fast ausschließlich im Entwicklungsalter befinden und mehr Konflikte mit Mitmenschen austragen - sowie der Erwägung, dass Revierreinigungsarbeiten dieser Art (im Rahmen vorheriger und auch anschließend weiter bestehender Kasernierung mit dem in BSG im vom 11.4.1985 - 4b/9a RV 28/84 = SozR 3100 § 48 Nr 11 anerkannten wehrdiensteigentümlichen "Konfliktpotenzial" ua im Hinblick auf das ständige Zusammensein) gerade für das Soldatenleben typisch sind.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 02.12.2014 geändert und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der 1990 geborene Kläger verlangt von der Beklagten einen Ausgleich nach § 85 SVG (Soldatenversorgungsgesetz) für die gesundheitlichen Folgen einer WDB (Wehrdienstbeschädigung), welche er sich am 25.05.2010 als Soldat zuzog.
Er führte an diesem Tag zusammen mit anderen Soldaten die Grundreinigung eines Dienstgebäudes durch. Als gegen 18:00 Uhr diese weitgehend abgeschlossen war, bespritzen sich die Kameraden gegenseitig. Plötzlich attackierte einer dieser Kamerad ihn mit einem Taschenmesser; er konnte eine Verletzung gerade noch abwehren und zog sich dadurch erst nur eine leichte Schürfwunde zu, musste sich aber psychiatrisch behandeln lassen. Der Angreifer ist deswegen zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten verurteilt worden (vgl. Urteil des Amtsgerichts T - Az. XX - vom 31.05.2011).
Im Juli/August 2010 stellte der Kläger beim LVR (Landschaftsverband) Rheinland einen Antrag auf Beschädigten-Versorgung. Dieser wurde zuständigkeitshalber an das Versorgungsamt in X abgegeben, und später an das Versorgungsamt in N. Dort wurde dann als Schädigungsfolge nach dem OEG (Opferentschädigungsgesetz) eine "Rückläufige posttraumatische Belastungsstörung und depressive Anpassungsstörung" mit einem GdS (Grad der Schädigungsfolgen) von 30 - für die Zeit vom 25.05.2010 bis 30.04.2011 - anerkannt; ab 01.05.2011 wurde der GdS mit nur noch 10 eingeschätzt (siehe Bescheid vom 05.02.2013). Insoweit ist noch ein Widerspruchsverfahren anhängig.
Im November 2010 machte der Kläger auch gegenüber der Beklagten entsprechende Ansprüche geltend (Schriftsatz vom 05.11.2010). Nach Auswertung der beigezogenen medizinischen Unterlagen gelangte man zu der Auffassung, die "Psychische Beeinträchtigung" sei nicht Folge einer WDB, ein Anspruch auf Ausgleich bestehe daher nicht (Bescheid vom 14.06.2011). Ein innerer Zusammenhang des tätlichen Angriffs mit einer Dienstverrichtung wurde verneint, es habe sich lediglich um eine private - persönliche - Auseinandersetzung gehandelt. Der vom Kläger eingelegte Widerspruch wurde zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom 15.07.2011).
Hiergegen hat der Kläger mit Schriftsatz vom 02.08.2011 Klage erhoben. Der Kläger ist der Meinung, ihm stehe wegen der Folgen einer WDB ein Anspruch auf Ausgleich zu, da Grundlage des Geschehens die wehrdiensteigentümlichen Verhältnisse gewesen seien.
Das angerufene Sozialgericht (SG) Düsseldorf hat die WDB-Akte - einschließlich der Beschwerdeakte - beigezogen, ebenso die OEK-Akte. Es hat sodann weiter Beweis erhoben durch Einholung eines sozialmedizinischen Gutachtens von dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. S (Beweisanordnung vom 20.07.2012).
Der gerichtliche Sachverständige ist nach Auswertung der Akten und Untersu...