nicht rechtskräftig
Verfahrensgang
SG Detmold (Entscheidung vom 10.04.2003; Aktenzeichen S 9 RJ 132/02) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 10. April 2003 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 20. Juni 2003 geändert. Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
I.
Tatbestand
Streitig ist die vom Sozialgericht zuerkannte Ersatzzeit für den vom Kläger unter russischer Kommandanturaufsicht verbrachten Zeitraum von Mai 1953 (Vollendung seines 14. Lebensjahres) bis Januar 1956 (Ende der Kommandantur). Der am 00.00.1939 als Kind einer nach seinen Angaben deutschen Familie im Dorf H, Gebiet S, geborene Kläger wurde nach Ausbruch des deutsch-russischen Krieges im Juni 1941 von dort zusammen mit seiner Familie Ende August 1941 in das Gebiet von Nowosibirsk verschleppt und bis Januar 1956 unter Kommandaturaufsicht gestellt. Hierzu liegt eine russische Archivbescheinigung vor. Nach dem Ende der Kommandantur blieb die Familie zunächst in der Gegend von Nowosibirsk und nahm dann 1958 ihren Wohnsitz im B. Dort arbeitete der Kläger nach den Eintragungen in seinem russischen Arbeitsbuch ab 1958 bis zur Entlassung angesichts der Auswanderung ins Ausland zum 01.04.1992 in der Landwirtschaft. 1962 heiratete er seine aus F, Gebiet T, stammende Ehefrau, mit der zusammen er im Mai 1992 in die Bundesrepublik übersiedelte. Nach ihren Angaben in der Vertriebenenakte sind beide Eheleute deutscher Volkszugehörigkeit und erhielten 1991 Einreisegenehmigungen durch die deutsche Botschaft in Moskau im Hinblick auf eine aufnehmende Familienangehörige M L, die sich seit dem 04.07.1990 im Bundesgebiet ständig aufhielt. Mit am 08.04.1992 noch im B ausgestellten Reisepässen reiste das Ehepaar am 27.05.1992 in die Bundesrepublik und hält sic seitdem im Bundesgebiet auf. Der Kläger ist Inhaber eines Vertriebenenausweises "B" und hat mit Bescheid vom 06.05.1996 für die Zeit von Januar 1947 bis Januar 1956 eine Entschädigung nach dem Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz erhalten. Bei der Beklagten beantragte er im April 1995 die Klärung seines Versicherungskontos und gab in einem Fragebogen zur Klärung von Ersatzzeiten auf die Frage: "Wann hatten Sie erstmals den Willen, aus der GUS auszureisen, um den ständigen Aufenthalt bzw. den Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland zu nehmen?" an: "02.01.1977." Die Frage war mit dem Hinweis versehen, es solle nicht das Datum des Ausreiseantrages angegeben werden, sondern der erstmalige Wunsch und feste Wille zur Aussiedlung solle auch dann angegeben werden, wenn zu diesem Zeitpunkt keine Ausreise möglich war oder Ausreiseanträge nicht gestellt worden sind oder werden konnten. Auf die weitere Frage: "Hat Ihr Wille, den ständigen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland zu nehmen, seit dem (vorgenannten) Zeitpunkt ununterbrochen bis zum Zuzug vorgelegen?", gab der Kläger an: "War keine Möglichkeit." Auf die Frage, was im Einzelnen unternommen worden sei, um die Ausreise/den Zuzug in die Bundesrepublik Deutschland zu erreichen, machte der Kläger keine Angaben. Die Ausreise- bzw. Einreiseerlaubnis sei im November 1991 erteilt worden, erklärte er ferner. Der Grund für die Verzögerung der Ausreise habe darin gelegen, dass die Sterbeurkunde seines Vaters einen Fehler enthalten habe, weshalb er die Ausreiseerlaubnis nicht bekommen bzw. erst durch Anrufung eines Gerichts bekommen habe. Auf seinen Antrag vom 13.09.2000 bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 09.11.2001 vorgezogene Altersrente wegen Arbeitslosigkeit ab dem 01.01.2000 unter Berücksichtigung von nach dem FRG bewerteten russischen Pflichtbeitragszeiten ab Mai 1956 bis April 1992 und bundesdeutschen Versicherungszeiten ab Juni 1992 bis Dezember 1999, jedoch ohne die zugleich begehrte Ersatzzeit. Eine Anerkennung der Ersatzzeit vom 14. Lebensjahr bis Januar 1956 sei nicht möglich, weil der Kläger nach Aufhebung der Kommandanturaufsicht nach 1956 nach eigenen Angaben keinen durchgehenden Rückkehrwillen gehabt habe. Dem widersprach der Kläger und wies darauf hin, dass bei seiner Ehefrau eine Ersatzzeit für den Zeitraum der Kommandanturaufsicht bereits anerkannt worden war und im Übrigen bei Volksdeutschen seines Herkunftsgebietes ein zumindest latenter Wille zur Ausreise seit dem Ende der Kommandatur durchgehend bestanden habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12.08.2002 wies die Beklagte den Widerspruch zurück mit der Begründung, die Berücksichtigung einer Ersatzzeit nach § 250 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) setze u.a. eine Rückkehr innerhalb von zwei Monaten nach der Entlassung im Januar 1956 bzw. für die Dauer weiterer Verzögerungen infolge der Unmöglichkeit der Ausreise einen durchgehenden Willen hierzu voraus. Ein Ausreisewille habe beim Kläger nach seiner eindeutigen Angabe...