Entscheidungsstichwort (Thema)

gesetzliche Unfallversicherung. Wegeunfall. innerer Zusammenhang. eigenwirtschaftliche Tätigkeit. keine gemischte Tätigkeit. Unterbrechung der versicherten Tätigkeit. keine unerwartete Notwendigkeit. Verbringung des Kindes in fremde Obhut. keine analoge Anwendung. verfassungskonforme Auslegung. Abholen des minderjährigen Kindes von der Schule. Rückfahrt zur Arbeitsstätte

 

Orientierungssatz

1. Eine Versicherte, die ihre berufliche Tätigkeit mit Einverständnis des Vorgesetzten um mehr als 15 Minuten unterbricht, um ihren 12-jährigen Sohn und dessen Mitschülerin im Rahmen eines vereinbarten Fahrdienstes von der Schule abzuholen, steht auch auf dem direkten Rückweg von der Wohnung zur Arbeitsstätte weder gem § 8 Abs 2 Nr 1 SGB 7 noch gem § 8 Abs 2 Nr 2 Buchst a SGB 7 unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.

2. Ein Versicherungsschutz der Klägerin lässt sich auch nicht durch eine analoge Anwendung oder eine verfassungskonforme Auslegung des § 8 Abs 2 Nr 2 Buchst a SGB 7 begründen.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 20.03.2007; Aktenzeichen B 2 U 19/06 R)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 07.07.2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten der Klägerin werden auch im Berufungsverfahren nicht erstattet. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Anerkennung des Verkehrsunfalls vom 07.05.2004 als Arbeitsunfall.

Die 1957 geborene Klägerin ist alleinerziehend und lebt mit ihrem 1992 geborenen Sohn I1 in einem gemeinsamen Haushalt in der I-straße ..., ... C. Ihr Sohn I1 besucht die Q-Schule in T. Im Schuljahr 2003/04 dauerte der Schulunterricht montags, mittwochs und freitags von 8.00 bis 16.00 Uhr sowie dienstags und donnerstags von 8.00 bis 13.00 Uhr. Zur Schule fuhr I1 morgens mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Wegen der ungünstigen Verbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln zwischen T und dem Heimatort bei der nachmittags Wartezeiten von 1 bis 2 Stunden entstanden, hatte die Klägerin mit dem Ehepaar D, deren Tochter T die gleiche Schule besuchte, verabredet, dass das Ehepaar D die beiden Kinder montags, mittwochs und freitags von der Schule abholte. Die Klägerin übernahm den Fahrdienst dienstags und donnerstags.

Die Klägerin war als Sachbearbeiterin in der Abteilung Technischer Dienst des F, Standort C, Q Weg ..., ... C beschäftigt. Zu ihrem Aufgabenkreis gehörten fristgebundene Arbeiten. Die monatliche Arbeitszeit der Klägerin wurde wegen eines erhöhten Arbeitsanfalls ab Mai 2004 - längere Abwesenheit einer Arbeitskollegin - von 35 auf 38,5 Stunden erhöht. Seit dem 01.01.2004 galt eine Dienstvereinbarung zur Flexibilisierung der Arbeitszeit. Nach deren § 2 erfolgte die Erledigung der dienstlichen Angelegenheiten während einer Rahmenzeit von montags bis freitags von 6.00 Uhr bis 19.00 Uhr. Innerhalb der Rahmenarbeitszeit leisteten die Mitarbeiter die vereinbarte Arbeitszeit (§ 2.2). Die wöchentliche Sollarbeitszeit entsprach der tarifvertraglich vereinbarten Arbeitszeit. Die Verteilung der Sollarbeitszeit erfolgte grundsätzlich auf 5 Arbeitstage von montags bis freitags. Dies entsprach pro Arbeitstag jeweils 1/5 der vertraglichen festgelegten Wochenarbeitszeit (7,7 Stunden für Vollzeitbeschäftigte) (§ 6.2). Die Sollarbeitszeit und die tägliche Arbeitszeit sowie Abweichungen davon wurden auf einem persönlichen allgemeinen Zeitkonto erfasst und arbeitstäglich berechnet. In einem Zeitkontostand von minus 20 bis plus 50 Arbeitsstunden konnte ein Mitarbeiter grundsätzlich eigenverantwortlich im Einvernehmen mit dem Arbeitsteam disponieren. Eine vorherige Information des unmittelbaren Vorgesetzten war sicher zu stellen (§ 7.1). Die Regelung des § 12 über "persönliche Abwesenheitszeiten" sah vor, dass Mitarbeiter zu Erledigung persönlicher Angelegenheiten unter Berücksichtigung von § 2 und § 3 der Dienstvereinbarung nach Abstimmung im Arbeitsteam bei entsprechender Zeiterfassung das Betriebsgelände verlassen konnten. Die persönlichen Abwesenheitszeiten waren keine Arbeitszeiten. Ausgenommen von dieser Regelung war eine ärztliche Behandlung, wenn diese während der Servicezeit erfolgen musste (§ 12).

Am Montag, den 03.05.2004 war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt. Am Dienstag, den 04.05.2004, erlitt ihr Sohn I1 einen Schulunfall. Wegen der Betreuung des Sohnes war die Klägerin in der Zeit vom 04.05. bis 06.05.2004 von der Arbeit freigestellt. Am 07.05.2004 fuhr die Klägerin ihren Sohn und das Kind T zur Schule. Sie hatte mit dem Ehepaar D vereinbart, die Kinder am Nachmittag von der Schule abzuholen, da das Ehepaar D verhindert war. Die Zeitnachweisliste weist für den 05.05.2005 folgende Eintragungen auf:

" 8:09 - 10:19 Arztbesuch 10:19 - 11:35 12:00 - 15:35."

Gegen 15.35 unterbrach die Klägerin in Absprache mit dem Zeugen Dr. I, ihrem Abteilungsleiter, die Arbeit. Sie holte die beiden Kinder von der Schule ab, setzte das Kind T vor ihrem Elternhaus ab und fuhr mit ihrem Sohn I1 zur Wohnung. Sie trug den Schulranzen ...

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