Entscheidungsstichwort (Thema)

Elterngeld. Verkürzung der Bezugsdauer. Verbrauch von Elterngeldmonaten durch Erhalt von Mutterschaftsleistungen. Zuschuss zum Mutterschaftsgeld im dritten Lebensmonat. keine anteilige Kürzung. keine Einschränkung des Verbrauchs auf nicht oder nicht vollständig Erwerbstätige. Verfassungsrecht. Gleichheitssatz. sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Umzug. Zuständigkeitswechsel der Elterngeldbehörde. keine Anwendung des § 44 Abs 3 SGB 10 bei gleicher Verbandszuständigkeit

 

Orientierungssatz

1. § 4 Abs 3 S 2 BEEG führt zu einer Verkürzung der Bezugsdauer von Elterngeld, die betreffenden Monate gelten als verbraucht.

2. Eine nur anteilige Kürzung des Elterngelds für den betreffenden Lebensmonat kommt dabei nicht in Betracht (vgl BSG vom 26.5.2011 - B 10 EG 11/10 R, vom 26.5.2011 - B 10 EG 12/10 R = SozR 4-7837 § 4 Nr 2 und vom 27.6.2013 - B 10 EG 8/12 R = BSGE 114, 26 = SozR 4-7837 § 1 Nr 4).

3. Eine einschränkende Auslegung von § 4 Abs 3 S 2 BEEG dahingehend, dass in dem betreffenden Monat eine Anrechnung der in § 3 BEEG genannten Leistungen bei der betreffenden Person nur dann zu erfolgen hat, wenn diese auch konkret leistungsberechtigt im Sinne von § 1 BEEG ist, also insbesondere keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt (so noch BSG vom 26.5.2011 - B 10 EG 11/10 R und B 10 EG 12/10 R aaO), ist nach der Neufassung der Vorschrift nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers nicht mehr möglich.

4. § 4 Abs 3 S 2 BEEG in der Fassung vom 10.9.2012 verstößt nicht gegen Verfassungsrecht, da sie nur den dritten Lebensmonat des Kindes betrifft und aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung gerechtfertigt ist.

5. Auch dass sich im Fall von Frühgeburten nach § 6 Abs 1 S 2 MuSchG die Schutzfrist für Mütter und die Anrechenbarkeit der Mutterschaftsleistungen auf das Elterngeld verlängert, ist eine bewusste gesetzgeberische Entscheidung und begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl BSG vom 20.12.2012 - B 10 EG 19/11 R = SozR 4-7837 § 3 Nr 1).

6. Zwar sieht § 26 Abs 1 BEEG iVm § 44 Abs 3 SGB 10 vor, dass über die Rücknahme nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts die (aktuell) zuständige Behörde entscheidet; § 44 Abs 3 SGB 10 findet aber dann keine Anwendung, wenn (wie hier) die Verbandszuständigkeit des jeweiligen kommunalen Trägers in Bezug genommen wird (vgl für die kommunalen Träger der Leistungen nach dem SGB 2: BSG vom 23.5.2012 - B 14 AS 133/11 R = SozR 4-1300 § 44 Nr 25).

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 04.05.2017; Aktenzeichen B 10 EG 16/16 B)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 01.02.2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt Leistungen nach dem Gesetz zum Elterngeld und zur Elternzeit (BEEG) für den 14. Lebensmonat seines Sohnes K I.

Der am 00.00.1972 geborene Kläger ist in zweiter Ehe mit seiner Bevollmächtigten verheiratet. Aus einer früheren Ehe stammen zwei Kinder, von denen eines mittlerweile im Haushalt des Klägers lebt. Für das erste der in der jetzigen Ehe geborenen weiteren zwei Kinder bezog der Kläger Elterngeld von Dezember 2012 bis Dezember 2013. Am 00.00.2014, ca. eine Woche vor dem errechneten Geburtstermin, wurde der Sohn K geboren.

Die Bevollmächtigte bezog vom Bundesversicherungsamt 210,00 EUR Mutterschaftsgeld nach § 13 Abs. 2 des Gesetzes zum Schutze der erwerbstätigen Mütter (MuSchG) und erhielt von ihrem Arbeitgeber, der Universität I, vom 25.03.2014 bis zum 01.07.2014 einen Zuschuss zum Mutterschaftsgeld in Höhe von 91,80 EUR kalendertäglich. Ab dem 02.07.2014 war sie wieder in Vollzeit bei der Universität I beschäftigt. Der Kläger erzielte 2012 Bruttoeinkünfte in Höhe von zunächst 5.719,60 EUR und ab September 2012 in Höhe von 3.919,60 EUR. Von Ende 2013 bis zum 27.06.2014 erhielt er Arbeitslosengeld in Höhe von 50,20 EUR kalendertäglich.

Am 28.05.2014 beantragte der Kläger bei der Beklagten Elterngeld für die Betreuung seines Sohnes K für den dritten bis zum 14. Lebensmonat. Die Bevollmächtigte beantragte kein Elterngeld.

Die Beklagte gewährte dem Kläger mit Bescheid vom 26.06.2014 Elterngeld unter Einbeziehung eines Geschwisterbonus in Höhe von 1980,00 EUR für den dritten bis zum 13. Lebensmonat seines Sohnes K, also vom 28.06.2014 bis zum 27.05.2015. Eine Zahlung über den 27.05.2015 hinaus komme nicht in Betracht. "Die Voraussetzungen für die Zahlung .. für mehr als 12 Monate" seien nicht gegeben, da nach § 4 Abs. 3 BEEG Monate, in denen zB Mutterschaftsgeld bezogen werde, bereits als Bezugsmonate gelten würden.

In der zweiten Jahreshälfte 2014 verzog der Kläger nach H im Kreis T. Wegen des Unterhalts für die beiden aus der ersten Ehe stammenden Kinder erging im November 2014 ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts (AG) T. Die Vollstreckung aus diesem wurde auf gerichtliche Anordnung vorübergehend eingestellt (Beschlüsse des AG T vom 22.12.2014 und 03.06.2015).

Am 03.02.2...

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