Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Mehrbedarf. unabweisbarer besonderer Bedarf. Kosten der Anschaffung von FFP2-Masken. Unabweisbarkeit im Einzelfall. Verwendung von OP-Masken. Mehrfachverwendung. Bedarfsdeckung durch Zuwendungen Dritter
Orientierungssatz
Zum Anspruch auf einen Mehrbedarf nach § 21 Abs 6 SGB 2 wegen der Kosten für die Anschaffung von FFP2-Masken.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 22.07.2021 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Gewährung eines Mehrbedarfs in Form von 20 FFP2-Masken wöchentlich, hilfsweise eines Betrages i.H.v. 129,00 EUR monatlich.
Das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen führte mit Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 - Coronaschutzverordnung - vom 07.01.2021 mit Wirkung zum 25.01.2021 (GV.NRW. 2021 Nr. 1b vom 07.01.2021 S. 1b - 26b) die Verpflichtung zum Tragen einer medizinischen Maske (OP-Masken, Masken des Standards FFP2 oder diesen vergleichbare Masken KN95/N95) in geschlossenen Räumlichkeiten der in § 11 Absatz 1 bis 3 genannten Handelseinrichtungen sowie in Arztpraxen und vergleichbaren Einrichtungen zur Erbringung medizinischer Dienstleistungen, bei der Nutzung von Beförderungsleistungen des Personenverkehrs und seiner Einrichtungen sowie während Gottesdiensten und anderen Versammlungen zur Religionsausübung auch am Sitzplatz ein. Für alle anderen Bereiche reichten sog. Alltagsmasken (textile Mund-Nasen-Bedeckungen) aus. Die Pflicht zum Tragen von medizinischen Masken wurde mit den Coronaschutzverordnungen i.d.F vom 05.03.2021 vom 29.03.2021 und vom 07.04.2021 auf weitere Bereiche ausgedehnt. Mit Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 - Coronaschutzverordnung - vom 23.04.2021 (GV.NRW. 2021 Nr. 33b vom 23.04.2021 S. 415b - 448b) führte das Ministerium bei der Beförderung von Personen im öffentlichen Personennah- oder -fernverkehr einschließlich der entgeltlichen oder geschäftsmäßigen Beförderung von Personen mit Kraftfahrzeugen samt Taxen und Schülerbeförderung für Fahrgäste sowohl während der Beförderung als auch während des Aufenthalts in einer zu dem jeweiligen Verkehr gehörenden Einrichtung die Pflicht zum Tragen einer Atemschutzmaske (Masken des Standards FFP2 und höheren Standards jeweils ohne Ausatemventil oder diesen vergleichbare Masken (insbesondere KN95/N95)) ein. Für zahlreiche weitere Bereiche galt die Verpflichtung zum Tragen einer medizinischen Gesichtsmaske. Die Verpflichtung zum Tragen einer Atemschutzmaske im öffentlichen Personennah- oder -fernverkehr galt bis zum Erlass der Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 -Coronaschutzverordnung - vom 24.06.2021 (GV.NRW. 2021 Nr. 44a vom 24.06.2021 S. 729a - 756a) fort. Ab diesem Zeitpunkt war das Tragen einer medizinischen Maske vorgeschrieben.
Der am 00.00.1980 geborene Kläger ist alleinstehend und bezieht laufend Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II. Die Kosten der Unterkunft und Heizung beliefen sich ab 01.10.2020 auf 416,35 EUR (227,35 EUR Grundmiete + 131,00 EUR Betriebskosten + 58,00 EUR Heizkosten) und ab 01.06.2021 auf 401,35 EUR (227,35 EUR Grundmiete + 43,00 EUR Heizkosten + 131,00 Betriebskosten). Die Warmwassererzeugung erfolgte dezentral.
Mit Bescheid vom 12.08.2020 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 04.09.2020 und 21.11.2020 bewilligte der Beklagte dem Kläger Grundsicherungsleistungen für den Zeitraum vom 01.10.2020 bis 30.09.2021 i.H.v. 872,61 EUR ab 01.01.2020. Der Beklagte berücksichtigte im Jahr 2021 den Regelbedarf für Alleinstehende i.H.v. 446,00 EUR, einen Mehrbedarf für Warmwassererzeugung i.H.v. 10,26 EUR und Kosten der Unterkunft und Heizung i.H.v. 416,35 EUR.
Am 15.02.2021 meldete sich der Kläger per E-Mail beim Beklagten und stellte unter Bezugnahme auf den Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe mit dem Aktenzeichen S 12 AS 213/21 ER "den gleichen Antrag". Das Sozialgericht Karlsruhe hatte in einem Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes den dortigen Antragsgegner anlässlich der Coronavirus SARS-CoV-2-Pandemie verschärften Pflicht zur Tragung bestimmter Arten von Mund-Nasen-Bedeckungen zur vorläufigen Gewährung einer Sachleistung von wöchentlich 20 FFP2-Masken (monatlich 86 FFP2-Masken) bzw. zur vorläufigen Gewährung eines monatlichen Zuschusses i.H.v. 129,00 EUR verpflichtet.
Der Beklagte lehnte den Antrag auf Übernahme der Kosten für medizinische Masken in Form eines Mehrbedarfes mit Bescheid vom 18.02.2021 ab. Im monatlichen Regelbedarf seien bereits 17,02 EUR für die Gesundheitspflege einberechnet, welche für den Erwerb der notwendigen Masken verwendet werden könnten. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass der Bund und das Land Nordrhein-Westfalen zeitnah Masken kostenlos zur Verfügung stellen werden. Ein zusätzlicher Mehrbedarf könne daher nicht ge...