Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen der Berücksichtigung in der DDR zurückgelegter Versicherungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung
Orientierungssatz
1. Für Wehrdienstzeiten des Versicherten in der ehemaligen DDR sind gemäß § 256a Abs. 4 SGB 6 für jedes volle Kalenderjahr 0,75 Entgeltpunkte zu Grunde zu legen.
2. Eine Berücksichtigung von Entgeltpunkten für Verfolgungszeiten als Pflichtbeitragszeiten nach § 13 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes (BerRehaG) ist ausgeschlossen, wenn nach der Entscheidung des maßgeblichen Landesverwaltungsamtes keine berufliche Rehabilitierung erfolgt ist.
3. Die Berücksichtigung einer Pflichtbeitragszeit nach § 256b Abs. 1 S. 1 SGB 6 hinsichtlich einer in der DDR ausgeübten Beschäftigung setzt die Glaubhaftmachung voraus, dass der Antragsteller in dieser Zeit in der DDR beschäftigt war und hierfür auch Beiträge abgeführt worden sind.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 14.04.2021 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Höhe der Regelaltersrente des Klägers unter Berücksichtigung von Versicherungszeiten in der ehemaligen DDR.
Der am 00.00.0000 geborene Kläger absolvierte vom 01.09.1969 bis zum 31.08.1974 erfolgreich ein Studium der Zahnmedizin an der L.-Universität H. und der Technischen Universität W.. Nachfolgend war er bis zum 04.05.1975 als Zahnarzt tätig. Vom 05.05.1975 bis zum 31.10.1976 verrichtete er seinen Wehrdienst bei der Nationalen Volksarmee (NVA). Anschließend war er vom 01.11.1976 bis zum 29.07.1982, 01.10.1983 bis zum 26.11.1985, 01.01.1986 bis zum 27.04.1987 und vom 17.02.1988 bis zum 31.05.1988 als Zahnarzt und Stomatologe tätig. Ab dem 12.07.1988 arbeitete er als Bewachungskraft in einer Brauerei. Am 25.07.1988 wurde er im Zusammenhang mit seinen Bestrebungen zur Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland inhaftiert und mit Urteil der Strafkammer des Kreisgerichts der Stadt Halle vom 13.10.1988 zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt [wegen Aufhängens eines beschrifteten Bettlakens "Für freie Ausreise, gegen Berufsverbot"]. Am 07.02.1989 erfolgte die Übersiedlung bzw. Ausbürgerung des Klägers in die Bundesrepublik Deutschland. Die Zeit der Inhaftierung vom 25.07.1988 bis 07.02.1989 wurde ausweislich einer Bescheinigung der Regierung von Mittelfranken vom 28.07.1999 als Gewahrsam im Sinne des Häftlingshilfegesetzes (HHG) anerkannt.
Nachdem er zuvor erfolglos die Gewährung von Altersrente wegen Arbeitslosigkeit beantragt hatte, stellte er am 23.02.2016 einen Antrag auf die Gewährung von Regelaltersrente. Mit Bescheid vom 07.09.2016 gewährte die Beklagte dem Kläger ab dem 01.09.2016 diese Rente. Dabei wurden die Versicherungszeiten in der ehemaligen DDR ab dem 01.10.1974 als Zeiten im Beitrittsgebiet der Rentenversicherung der Angestellten zugeordnet, die Zeit des Wehrdienstes vom 01.06.1975 bis zum 30.10.1976 mit 0,75 Entgeltpunkten pro Jahr und die Zeit vom 25.07.1988 bis zum 06.08.1989 als politische Haft, Gewahrsam sowie Vertreibung, Flucht berücksichtigt. Vom 07.08.1989 bis zum 21.08.1989 wurde eine Pflichtbeitragszeit und vom 22.08.1989 bis zum 13.03.1990 Vertreibung, Flucht und anschließend bis zum 10.05.1990 eine Pflichtbeitragszeit zugrunde gelegt.
Dagegen legte der Kläger am 20.09.2016 Widerspruch ein und verwies u.a. auf einen von ihm vor dem Verwaltungsgericht Halle geführten Rechtsstreit hinsichtlich seiner Rehabilitation. Die Beklagte zog die zuvor von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte bzw. Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV Bund) geführten Verwaltungsakten bei und wies den Kläger am 16.11.2016 darauf hin, dass die Haftzeit vom 25.07.1988 bis zum 07.02.1988 bereits als Ersatzzeit im Versicherungskonto gespeichert worden sei. Bezüglich einer eventuellen beruflichen Rehabilitierung sei er bereits durch die Beklagte am 07.04.2010 bzw. auch durch die DRV Bund informiert worden. Am 18.11.2016 wies die Beklagte den Kläger erneut darauf hin, dass in seinem Versicherungsleben möglicherweise Verfolgungszeiten zu berücksichtigen seien, für die ein Nachteilsausgleich nach dem Beruflichen Rehabilitierungsgesetz (BerRehaG) beantragt werden könne. Für die Berücksichtigung solcher Zeiten in der Rentenversicherung sei die Vorlage einer Bescheinigung der Rehabilitierungsbehörde nach §§ 17, 20 BerRehaG erforderlich. Der Kläger beantragte daraufhin, die Zeiten vom 01. bis 24.07.1988 (Beschäftigung als Wachmann), 25.07.1988 bis 02.02.1989 (Haft), die anschließende Arbeitslosigkeit bis zum 12.05.1990 und die Wehrdienstzeit vom 05.05.1975 bis 31.10.1976 "als Zahnarzt" anzuerkennen. Der Rechtsstreit vor dem Verwaltungsgericht Halle dauere an.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 17.03.2017 zurück. Die Wehrdienstzeit im Beitrittsge...