Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufskrankheit. haftungsbegründende Kausalität. HIV-Infektion
Orientierungssatz
1. Auch wenn eine Infektionskrankheit auf einer einmaligen Ansteckung beruht, also rechtlich die Voraussetzungen für einen Arbeitsunfall gegeben wären, ist die BKVO jedenfalls dann anzuwenden, wenn die Infektion sich hinsichtlich des Zeitpunktes und der direkten Infektionsquelle nicht feststellen läßt (vgl BSG vom 24.7.1985 - 9b RU 36/83 = SozR 5670 Anl 1 Nr 3102 Nr 1).
2. Zur Nichterkennung einer HIV-Infektion eines Pflegers als Berufskrankheit gem BKVO Anl 1 Nr 3101, wenn weder eine berufsbedingte besondere Gefährdung noch ein geeignetes Unfallereignis feststellbar ist.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die bei dem Kläger bestehende HIV-Infektion auf seiner Tätigkeit als Krankenpfleger beruht und als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 3101 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKVO) zu entschädigen ist.
Der im Jahre 1949 geborene Kläger ist gelernter Schlosser und Altenpfleger. Von März 1993 bis Oktober 1996 war er als Krankenpfleger im Evangelischen Krankenhaus H beschäftigt. Der Kläger wurde für die Neurologische Abteilung 3 A eingestellt, wechselte jedoch im September 1993 auf die Neurologische Abteilung 3 B.
Der Chefarzt der Chirurgischen Abteilung des Evangelischen Krankenhauses H Prof. Dr. B teilte der Beklagten in einem Durchgangsarztbericht vom 03.01.1995 mit, daß der Kläger am 03.01.1995 eine Kanülenstichverletzung am linken Ringfinger erlitten habe. Am 24.02.1995 wurde bei dem Kläger erstmals eine HIV-1-Infektion diagnostiziert. Am 24.04.1995 lag das Stadium A 2 vor (Bericht der Städtischen Kliniken D vom 20.06.1995). Mit Schreiben vom 07.03.1995 teilte Prof. Dr. B der Beklagten mit, daß die HIV-Infektion auf die Kanülenstichverletzung vom 03.01.1995 zurückgeführt werde. Dabei solle sich eine etwa 86 Jahre alte Patientin mit einem hirnorganischen Psychosyndrom bei der Verabreichung einer Heparin-Injektion gewehrt haben, wobei es zu einer Stichverletzung mit der bereits beschmutzten Kanüle am linken Ringfinger des Klägers gekommen sei. Prof. Dr. B legte u.a. einen Bericht des Instituts für Medizinische Mikrobiologie der Stadt B über einen negativen HIV-Test des Klägers vom 06.01.1995 vor. Der Kläger gab am 23.03.1995 auf einem Fragebogen der Beklagten an, daß er nach seiner Kenntnis während der beruflichen Tätigkeit keinen Kontakt mit an AIDS erkrankten oder bekannt HIV-positiven Personen gehabt habe. Unter dem 28.03.1995 teilte Prof. Dr. B der Beklagten mit, daß es sich bei der Kontaktperson um die 99 Jahre alte Frau K aus dem E-T W-Haus gehandelt habe. Eine Blutabnahme zwecks HIV-Test sei bisher nicht gelungen. Der Kläger habe bereits in der Vergangenheit durch seinen früheren Hausarzt Dr. Z in vierteljährlichen Abständen HIV-Testungen durchführen lassen. In einem Bericht für das Gesundheitsamt der Stadt H vom 16.06.1995 führte Dr. Z aus, daß während der Behandlungszeit in seiner Praxis keine akute Infektion feststellbar gewesen sei. Laufende HIV-Tests hätten bisher keine pathologischen Reaktionen gezeigt. Der Kläger sei mehrfach auf ein erhöhtes Infektionsrisiko bei seiner Grunderkrankung, einer Granulozytopenie hingewiesen worden. Die Beklagte zog von dem Arzt Dr. B aus H einen Bericht des Instituts für medizinische Mikrobiologie der Stadt B vom 05.04.1995 über einen negativ verlaufenden HIV-Test der Patientin J K bei. Der Chefarzt der Neurologischen Abteilung des Evangelischen Krankenhauses H Dr. K teilte der Beklagten am 27.09.1995 mit, daß ihm der Name der Patientin bekannt sei und er aufgrund der bestehenden Verunsicherung dafür Sorge getragen habe, daß von ihrem Hausarzt eine Blutprobe abgenommen worden sei, die negativ ausgefallen sei. Insofern ergäben sich keine näheren Hinweise, daß sich der Kläger bei dieser Patientin eine Infektion zugezogen habe. Ihm sei nicht bekannt, daß sich der Kläger bei der Betreuung anderer Patienten verletzt habe, so daß er auch nicht wisse, wo man eine mögliche Infektionsquelle suchen solle. Jüngere Patienten mit neurologischen Auffälligkeiten, die den Verdacht auf eine HIV-Infektion aufkommen lassen könnten, seien nicht behandelt worden. Die Wahrscheinlichkeit, daß sich der Kläger bei einem der älteren Patienten, die etwa nach einem Hirninsult behandelt würden, infiziert habe, halte er für wenig wahrscheinlich. Er selbst habe nie beobachtet, daß der Kläger im Umgang mit Patienten nachlässig gewesen sei, beispielsweise bei der körperlichen Pflege keine Handschuhe getragen habe. Eine Infektion durch HIV-infiziertes Blut oder HIV-infizierte Körpersekrete sei eigentlich nur dann denkbar, wenn der Kläger von einem Patienten gebissen worden wäre oder sich selbst mit einer möglicherweise infizierten Nadel verletzt hätte. Hierfür ergäben sich jedoch keine Hinweise. Prof. Dr. E, Landesanstalt für Arbeitsschutz Nordrhein-Westfalen, hielt am 02.11.1995 weitere Sachverhaltsaufklärung nicht für erforderlich. Mit Bescheid vom 22.01.1996 lehnte di...