Entscheidungsstichwort (Thema)
Verminderte Anpassung der Arbeitslosenhilfe. echte Rückwirkung
Leitsatz (amtlich)
1. § 136 Abs 2b iVm § 242v AFG idF des AlhiRG enthält zu Lasten der Leistungsempfänger eine echte Rückwirkung, die einer verfassungskonformen Auslegung bedarf.
2. Diese ergibt, daß eine erste Anpassung der Arbeitslosenhilfe erst ab dem 1.4.1997 erfolgen kann. Anpassungen vor diesem Stichtag sind unwirksam, weil hierfür eine gesetzliche Grundlage fehlt.
3. Auch die erneute Neuregelung durch das WFG kann die Anpassungsmöglichkeit zum 1.7.1996 nicht bewirken, weil auch insoweit eine echte Rückwirkung eines belastenden Gesetzes besteht.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe der dem Kläger ab dem 01.07.1996 zustehenden Arbeitslosenhilfe (Alhi).
Nach Beendigung der Bezugszeit für Arbeitslosengeld (Alg) bezog der im Jahre 1946 geborene Kläger seit dem 27.01.1981 Anschluß-Alhi mit kurzen Unterbrechungen. Zuletzt wurde ihm bis zum Ende des Bewilligungsabschnittes zum 21.06.1995 Alhi unter Zugrundelegung eines wöchentlich gerundeten Arbeitsentgeltes von 810,00 DM bewilligt.
Gestützt auf § 136 Abs. 2 b Arbeitsförderungsgesetz (AFG) i.V.m. § 112 Abs. 7 AFG senkte die Beklagte mit Bescheiden vom 23.06.1995 und 28.06.1995 das zugrunde zu legende wöchentliche Arbeitsentgelt für den Bewilligungszeitraum ab 22.06.1995 auf 660,00 DM ab.
Der hiergegen gerichtete Widerspruch des Klägers wurde mit Bescheid vom 17.10.1995 zurückgewiesen. Bei der nun vorgenommenen fiktiven Feststellung des noch erzielbaren Arbeitsentgeltes müsse berücksichtigt werden, daß der Kläger wegen seiner nun über 20 Jahre andauernden Arbeitslosigkeit kaum noch über Fachkenntnisse verfüge.
Gegen diese Entscheidung hat der Kläger am 20.11.1995 Klage erhoben. Noch vor Abschluß des Verfahrens dynamisierte die Beklagte gemäß § 112 a AFG die Alhi des Klägers mit Bescheid vom 14.06.1996. Sie legte der Zahlung für den folgenden Bewilligungszeitraum ab dem 22.06.1996 ein wöchentliches gerundetes Arbeitsentgelt von 670,00 DM zugrunde.
Mit Bescheid vom 12.07.1996 setzte die Beklagte das Bemessungsentgelt mit Wirkung ab dem 01.07.1996 auf 650,00 DM herab. Das Ende des Bewilligungsabschnitts verblieb beim 21.06.1997. Zur Begründung wurde in dem Bescheid angeführt, daß das Bemessungsentgelt gemäß § 242 V AFG um drei v.H. gemindert worden sei (Gesetz zur Reform des Rechts der Arbeitslosenhilfe -Arbeitslosenhilfereformgesetz- AlhiRG; Bundesgesetzblatt 1996 I, Seite 878).
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 20.08.1996 haben die Beteiligten in der Sache folgenden Teilvergleich geschlossen:
1. Die angefochtenen Bescheide werden geändert. Die Beklagte bewilligt dem Kläger ab 22.06.1995 Arbeitslosenhilfe nach einem gerundetem wöchentlichen Arbeitsentgelt von 690,00 DM, ab 22.06.1996 von 710,00 DM bis zum 30.06.1996.
2. Die Zeit ab 01.07.1996 bleibt streitbefangen.
Daraufhin hat der Kläger den Antrag nach § 242 v Satz 2 AFG gestellt, den die Beklagte abgelehnt hat. Gleichzeitig bewilligte sie unter Änderung des Bescheides vom 12.07.1996 Alhi unter Zugrundelegung eines wöchentlichen Arbeitsentgeltes von 690,00 DM ab dem 01.07.1996. Sie hat zur Begründung ausgeführt, § 242 v AFG sei erst ab dem 01.07.1996 anzuwenden, wodurch sich die einjährige Schonfrist verschiebe.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 20.08.1996 den Bescheid vom 12.07.1996 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 20.08.1996 aufgehoben und die Beklagte antragsgemäß verurteilt, dem Kläger ab dem 01.07.1996 Arbeitslosenhilfe nach einem gerundeten wöchentlichen Arbeitsentgelt von 710,00 DM zu bewilligen.
Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, daß es für eine Anpassung der Alhi zum 01.07.1996 keine Rechtsgrundlage gebe. Das AlhiRG sehe nur eine Anpassung zum 01.04.1996 vor. Da das Gesetz erst im Juni 1996 verkündet worden sei, sei eine rückwirkende Anpassung zum 01.04.1996, wie im Gesetz vorgesehen, wegen des Verbots des rückwirkenden Eingriffs in gesicherte Rechtspositionen, das auch für den Gesetzgeber gelte, nicht möglich gewesen. Die Verschiebung der im Gesetz genannten Stichtage um jeweils 3 Monate, wie sie von der Beklagten vorgenommen worden sei, sei willkürlich. Eine verfassungskonforme Auslegung des Gesetzes gebiete es vielmehr, eine Anpassung frühestens zum 01.04.1997 vorzunehmen. Nur so könne der Wille des Gesetzgebers, der durch die verspätete Verkündung des Gesetzes in seiner ursprünglichen Form vereitelt worden sei, in verfassungskonformer Weise umgesetzt werden. Einer Gesetzänderung bedürfe es dann nicht.
Gegen das ihr am 06.09.1996 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 20.09.1996 Berufung eingelegt.
Sie hält ihre Anwendung des Gesetzes für verfassungskonform und meint, das Gesetz auch hinsichtlich der Härtefallregelung des § 242 v Satz 2 AFG richtig angewendet zu haben. § 242 v AFG i.d.F. des WFG bestätige dies.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 20. August 1996 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger b...