Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschränkung des Rückausgleichs übertragener Versorgungsanwartschaften auf zukünftige Rentenbezugszeiträume
Orientierungssatz
1. Nach § 37 Abs. 1 VersAusglG wird ein Anrecht der ausgleichspflichtigen Person auf Antrag nicht länger aufgrund des Versorgungsausgleichs gekürzt, wenn die ausgleichsberechtigte Person gestorben ist. Diese Regelung gilt auch dann, wenn die ausgleichsberechtigte verstorbene Person überhaupt keine Versorgung aus den übertragenen Anwartschaften bezogen hat. Nicht länger als 36 Monate Versorgung bezogen i. S. von § 37 Abs. 2 VersAusglG hat auch, wer überhaupt keine Versorgung bezogen hat. Damit fehlt es an einer Berechtigung zum Rückausgleich, vl. BSG, Urteil vom 20. März 2013 - B 5 R 2/12 R.
2. Die gesetzliche Regelung ist verfassungsgemäß. Sie verstößt insbesondere nicht gegen Art. 3 Abs. 1, 14 Abs. 1 oder 20 Abs. 3 GG. Eine vollständige Rückabwicklung ist auch bei Versterben der ausgleichsberechtigten Person vor Inanspruchnahme von Leistungen aus den übertragenen Anwartschaften verfassungsrechtlich nicht geboten.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 14.11.2012 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die (teilweise) Nachzahlung von Rente für einen zurückliegenden Zeitraum.
Die Klägerin ist die frühere Lebensgefährtin und Alleinerbin des 1938 geborenen und am 00.00.2012 verstorbenen Versicherten P (fortan: Versicherter). Der Versicherte war von 1967 bis 1983 mit der im August 1946 geborenen und am 00.00.2011 verstorbenen W (fortan: frühere Ehefrau) verheiratet. Im Zuge des zusammen mit der Scheidung durchgeführten Versorgungsausgleichs wurden vom Rentenkonto des Versicherten Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 249,40 DM auf das Rentenkonto der früheren Ehefrau übertragen (Urteil des Amtsgerichts Aachen vom 4.3.1983, Aktenzeichen (Az) 24 F 112/82). Der Versicherte erhielt von der Beklagten von Juli 1993 bis zu seinem Tod jeweils um die übertragenen Versorgungsanwartschaften verminderte Rente, zunächst Rente wegen Berufsunfähigkeit, seit August 1998 Altersrente für Schwerbehinderte (seit Juli 2001 unter der neuen Bezeichnung "Altersrente für schwerbehinderte Menschen").
Im August 2011 wies der Versicherte die Beklagte auf den Tod der früheren Ehefrau vor Inanspruchnahme von Leistungen aus den übertragenen Anwartschaften hin und bat um Prüfung, ob ihm die einbehaltenen Beträge wieder ausgezahlt und der Rentenausgleich "zurückgedreht" werden könne.
Die DRV Bund bestätigte der Beklagten als zuständiger Rentenversicherungsträger für die frühere Ehefrau, dass diese bis zu ihrem Tod keine Leistungen aus den durch den Versorgungsausgleich erworbenen Anrechten bezogen hat (Schreiben vom 22.9.2011). Die Beklagte setzte die Kürzung der Rente aus und gewährte dem Versicherten ab dem 1.9.2011 die Altersrente unter Mitberücksichtigung der 1983 übertragenen Anwartschaften (sog. Rückausgleich). Eine Rückabwicklung für die Zeit vor dem 1.9.2011 lehnte sie ab. Die Anpassung nach dem Tod der ausgleichsberechtigten Person wirke erst ab dem ersten Tag des Monats, der auf den Monat der Antragstellung folge; eine rückwirkende (vollständige) Rückabwicklung sei seit dem 1.9.2009 nicht mehr vorgesehen (Bescheide vom 2.11. und 15.12.2011; Widerspruchsbescheid vom 28.2.2012, abgesandt am 13.3.2012).
Mit seiner am 16.4.2012, einem Montag, erhobenen Klage hat der Versicherte geltend gemacht, das zum 1.9.2009 in Kraft getretene Versorgungsausgleichsgesetz stelle einen verfassungswidrigen Rückschritt gegenüber dem aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28.2.1980 geschaffenen, zuvor geltenden Gesetz zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich dar. Das gelte besonders für vor dem 1.7.1977 geschlossene Ehen (sog. "Altehen").
Nach dem Tod des Versicherten hat die Klägerin den Rechtsstreit als Rechtsnachfolgerin fortgeführt und beantragt,
den Bescheid vom 02.11.2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 28.02.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die ungekürzte Rente des verstorbenen Versicherten rückwirkend auszuzahlen; hilfsweise das Verfahren auszusetzen und das Bundesverfassungsgericht zur Beantwortung der Frage anzurufen, ob § 38 Abs. 2 iVm § 34 Versorgungsausgleichsgesetz mit der Verfassung im Einklang steht.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen: Die Rente sei zutreffend erst ab dem 1.9.2011 ungekürzt auszuzahlen gewesen, weil der Wegfall der Kürzung erst mit dem ersten Tag des auf einen entsprechenden Antrag des Ausgleichsverpflichteten folgenden Monats eintrete. Die eindeutigen Vorschriften des neuen Versorgungsausgleichsgesetzes seien keiner (verfassungskonformen) Auslegung zugänglich. Im Hinblick auf das Versicherungsprinzip und die steigende Belastung der Altersversorgung durch die demographische Entwicklung bestünden auch unter Berücksichtigung des...